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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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schnappte Mama. »Ich bin nicht taub, und ich bin keine Idiotin.«
    Petronius fürchtete sich vor meiner Mutter. Gehorsam erwiderte er: »Das ist Anacrites, der Oberspion.«
    »Für mich sieht er aus wie ein angeschimmelter, vergessener Kloß vom Vortag«, höhnte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. »Er ist ein Spion. Das ist sein natürliches Aussehen.«
    »Na gut, aber du erwartest hoffentlich nicht, daß ich Wunder vollbringe und ihn rette.«
    »Mama, erspar uns deine übertriebene plebejische Fröhlichkeit!«
    »Wer wird für die Beisetzung bezahlen?«
    »Der Palast. Laß ihn einfach nur hierbleiben und sterben. Gönn ihm ein bißchen Ruhe vor denjenigen, die ihn verfolgen.«
    »Na gut, das kann ich machen«, stimmte sie mürrisch zu.
    Ich stamme aus einer großen, nichtsnutzigen Familie, die nur selten etwas aus purer Menschenfreundlichkeit tut. Aber wenn sie sich einmal dazu herabläßt, sollte jeder vernünftige, seiner Sinne mächtige Mensch lieber mit Volldampf in die andere Richtung verschwinden. Anacrites hierzulassen bereitete mir ein grimmiges Vergnügen. Ich hoffte, er würde wieder zu sich kommen und sich Mamas endlose Belehrungen anhören müssen – und ich hoffte, ich könnte dabei sein.
     
    Petronius Longus und ich kannten uns seit unserem achtzehnten Lebensjahr. Ich merkte, daß er sich bezähmte wie eine nervöse Braut. Sobald wir konnten, riefen wir Mama ein hastiges Lebwohl zu und verdrückten uns wie die ungezogenen Schuljungs, die sie immer noch in uns sah. Die Beschimpfungen, die sie uns nachrief, verfolgten uns durchs ganze Treppenhaus.
    Petronius wußte, daß ich bemerkt hatte, wie er darauf brannte, mir etwas mitzuteilen. In seiner üblichen aufreizenden Art behielt er es so lange wie möglich für sich. Ich biß die Zähne zusammen, obwohl ich ihn am liebsten in die Auslage des Kupferschmieds auf der anderen Straßenseite geschubst hätte, weil er mich so auf die Folter spannte.
    »Falco, alle reden von einer Leiche, die heute morgen von der Zweiten Kohorte gefunden wurde.« Petro diente in der Vierten Kohorte der Vigiles, die den Aventin unter sich hatte. Die Zweite war für den Esquilin zuständig.
    »Wessen Leiche?«
    »Sah wie ein Überfall auf offener Straße aus; passierte letzte Nacht. Der Kopf des Mannes wurde brutal eingeschlagen.«
    »Vielleicht gegen eine Mauer gerammt?«
    Petro nickte. »Gut möglich.«
    »Hast du Freunde in der Zweiten?«
    »Ich dachte mir, daß du das fragen würdest«, erwiderte Petro. Wir waren bereits auf dem langen Rückweg zum Esquilin.
     
    Das Wachlokal der Zweiten Kohorte liegt auf dem Weg zur Porta Tiburtina, nahe des alten Walls mit dem Julian-Aquädukt und inmitten der Gärten des Pallentian und der Lamia- und Maia-Gärten. Haufenweise Büsche und Sträucher – ein beliebter Tummelplatz ältlicher, abgetakelter Huren und von Leuten, die Liebestränke und falsche Zaubersprüche an den Mann (und die Frau) zu bringen versuchen. Wir hüllten uns fester in unsere Umhänge, schritten rasch aus und palaverten laut über die Wagenrennen, um uns Mut zu machen.
    Die Zweite Kohorte war für den Dritten und Fünften Bezirk zuständig: zum Teil die üblichen, heruntergekommenen Mietskasernen, aber auch einige große Villen mit schwierigen Besitzern, die der Meinung waren, die Vigiles wären nur dazu da, sie zu beschützen. Zum Patrouillenbereich der Zweiten gehörten steile Hügel, verwilderte Gärten, ein großer Teil des Palastes (Neros Goldenes Haus) und eine prestigeträchtige Staatsbaustelle (Vespasians neues, riesiges Amphitheater). Das Gebiet war kein Zuckerschlecken für die Wachen, aber sie ertrugen es wie Stoiker. Die Ermittlungsmannschaft war eine Gruppe lässiger Faulenzer, die wir auf einer Bank beim Ausrechnen ihrer Überstundengelder für die Nachtschicht vorfanden. Sie hatten genug Zeit, uns von ihrem interessanten Mordfall zu erzählen, aber große Energie, ihn aufzuklären, legten sie nicht an den Tag.
    »Io! Der war übel zusammengeschlagen!«
    »Voll über den Brägen?« Petro hatte das Reden übernommen.
    »Aufgeplatzt wie ’ne Nußschale.«
    »Wißt ihr, wer er ist?«
    »Hat ein bißchen was Mysteriöses. Wollt ihr ihn euch anschauen?«
    »Vielleicht.« Wenn es irgendwie ging, ersparte Petronius sich solche Anblicke lieber. »Könnt ihr uns zeigen, wo er überfallen worden ist?«
    »Klar! Aber kommt mit rein und schaut euch erst mal den Glückspilz an …«
    Wir wollten beide nicht. Blut ist schlimm genug. Verspritztes Hirn meiden

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