Zwielicht in Cordoba
wären?«
»Warum so ein knackiges Ding wie Sie nicht beim Essen der Gesellschaft baetischer Ölhersteller vor zwei Tagen getanzt hat?«
»Wieso fragen Sie?« höhnte Perella. »Hatten Sie gehofft, mich dort zu sehen – oder haben die nur die Reichen und Gutaussehenden reingelassen?«
»Ich war dort.«
»Wie oft hab ich denen schon gesagt, sie hätten eine miserable Einlaßpolitik!«
»Werden Sie nicht gemein! Aber abgesehen davon, Sie sind doch sonst immer da. Was war mit Ihnen an dem Abend?«
Mein direktes Vorgehen machte sie zugänglicher. »Fragen Sie mich nicht«, vertraute sie mir in vergnügtem Ton an. »Ich bekam nur die Nachricht, daß ich nicht gebraucht würde, also blieb ich zu Hause und legte die Füße hoch.«
»Von wem kam die Nachricht?«
»Von Helva, nehme ich an.«
»Nein. Helva glaubt immer noch, daß Sie aufgetreten sind. Er war derjenige, der mich zu Ihnen geschickt hat.«
Perella richtete sich mit wütendem Blick auf. »Dann hat mich jemand verschaukelt!«
Mir kam der Gedanke, daß Helva vielleicht selbst beschlossen hatte, eine bessere Tänzerin zu engagieren, und sich davor fürchtete, es Perella zu sagen – aber dann hätte er mich wohl kaum hergeschickt. »Wer hat Ihnen die Nachricht gebracht, Perella? Können Sie ihn mir beschreiben?«
»Keine Ahnung. Ich habe nicht auf ihn geachtet.« Ich wartete, während sie ihr Gedächtnis durchforschte, offenbar ein langsamer Prozeß – aber vielleicht überlegte sie auch bloß, ob sie mir die Wahrheit sagen sollte. Für eine Tänzerin sah sie zu alt aus, hatte rauhe Haut und knochige Glieder. Von nahem betrachtet sind solche Frauen nie so gelackt, wie sie in ihren Kostümen wirken. »Dunkelhäutiger Bursche«, sagte sie schließlich. »Hatte schon einige Jahre auf dem Buckel.« Klang wie einer von Dianas zahmen Musikern.
»Hatten Sie ihn schon mal gesehen?«
»Nicht, daß ich mich erinnern könnte.«
»Und was genau hat er gesagt?«
»Daß es Helva leid täte, aber die verdammten baetischen Freßsäcke hätten sich gegen die Musik entschieden.«
»Gab er einen Grund an?«
»Keinen. Ich dachte, entweder hätte der neue Kaiser es ihnen verboten, die Räume zu ihrem Spaßvergnügen zu benutzen oder ihnen sei das Geld ausgegangen und sie konnten mein Honorar nicht zusammenkratzen.«
»Für mich sahen die recht betucht aus.«
»Aber geizig!« erwiderte Perella vehement. »Die meisten jammern die ganze Zeit, wie viel diese Essen sie kosten. Am liebsten würden sie auf jede Unterhaltung verzichten. Da ist so ein Protzer, der bezahlt …«
»Quinctius Attractus?«
»Genau der. Gewöhnlich bezahlt er, aber es braucht drei oder vier Anläufe, um das Geld aus ihm herauszuholen, und er zahlt nie das kleinste Trinkgeld!«
»Er könnte also beschließen, eine eigene Tänzerin zu engagieren, wenn er wollte?«
»Ja, das könnte der Drecksack«, stimmte Perella säuerlich zu.
»Würde er sich die Mühe machen, Helva zu informieren?«
»Nein. Dazu ist er sich zu fein. Er hat keine Ahnung von Organisation. Es käme ihm gar nicht in den Sinn.«
»Und würde es dem Mädchen gelingen, an Helva vorbeizukommen, ohne daß er merkt, daß nicht Sie es sind?«
»Helva ist so kurzsichtig, daß man direkt vor seiner Nase stehen muß, bevor er einen erkennt. Jede, die mit einem Tamburin rasseln kann, könnte glatt an ihm vorbeisegeln.«
Also war es eine abgekartete Sache gewesen. Es überraschte mich nicht, daß das sogenannte »artige Mädchen aus Hispalis« nicht so artig war, wie sie vorgegeben hatte. Meiner Erfahrung nach sind artige Mädchen das nie.
Perella konnte mir sonst nichts mehr erzählen, und ich stand bloß vor einem weiteren Rätsel: unbekannte Künstler hatten sich Zugang verschafft und den Platz der üblichen Tänzerin eingenommen. Sie wußten genug, um sich Helvas Namens für ihr Täuschungsmanöver zu bedienen. Wußten es oder waren darüber informiert worden. Hatte Attractus selbst sie engagiert, oder nahm er es einfach hin, daß Helva sie aufgetrieben hatte? Und warum? Ich könnte den Senator fragen, aber irgendwie ahnte ich schon, daß es fast aussichtslos war, die liebliche Diana und ihre beiden dunkelhäutigen Musiker zu finden.
Sie konnten von Anacrites geschickt, aber auch von einem Außenstehenden eingeschleust worden sein (vielleicht von einem eifersüchtigen Möchtegernmitglied des Speiseclubs?). Oder sie waren aus eigenen Stücken gekommen. Möglicherweise hatten sie überhaupt nichts mit den Angriffen auf Anacrites
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