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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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identifizieren: ein kleiner goldener Pfeil, niedlich wie ein Spielzeug, aber gefährlich scharf. Der rostfarbene Fleck an der Pfeilspitze war vermutlich Blut. Eingedenk der kleinen Beinwunden, die ich sowohl bei Anacrites als auch bei Valentinus festgestellt hatte, schätzte ich, daß beide Opfer hinterrücks durch einen Schuß in die Wade überrascht worden waren. Der von dem Spielzeugpfeil verursachte Schmerz war heftig genug, daß sie sich bückten, um nach der Ursache zu sehen. In dem Moment wurden sie von hinten gepackt und mit aller Gewalt wie ein Rammbock gegen die nächste Wand gedonnert.
    Helena Justina war unbemerkt zu uns getreten. »O je!« rief sie und hatte sofort einen ihrer typischen abwegigen Einfälle. »Ich nehme an, das hier gehört deiner mysteriösen spanischen Tänzerin. Hat man es etwa gerade an einer kompromittierenden Stelle am Tatort gefunden?«
    Finster bestätigten wir es.
    »Ach, laß nur, Marcus«, stichelte Helena dann freundlich. »Kopf hoch, Liebster! Du wirst bestimmt eine Menge Spaß haben – es sieht so aus, als ob jemand dich gegen eine bildschöne Spionin einsetzt!«
    Natürlich erwiderte ich, für Klischees sei ich nicht in Stimmung – obwohl ich zugeben muß, daß mein Herz einen beklommenen Hüpfer machte.

XII
    Das Mädchen aus Hispalis zu befragen war vollkommen aussichtslos. Ich wußte noch nicht mal ihren Namen oder einen möglichen Decknamen. Wenn sie klug war, hatte sie Rom verlassen. Grinsend versprach mir Petronius Longus, ihre Beschreibung in seine Liste gesuchter Verdächtiger aufzunehmen. Er bot mir an, sie persönlich einem Verhör zu unterziehen. Ich wußte, was das bedeutete.
    Ich sagte ihm, er solle sich nicht bemühen, ich würde ihr ihre Geheimnisse schon selbst entlocken. Petronius, der glaubte, daß Männer mit schwangeren Frauen automatisch auf außerhäusliche Abenteuer aus sind, zwinkerte weise und versprach mir, mich sofort zu informieren, wenn ihm die schöne Diana über den Weg lief. Worauf Helena kühl verkündete, sie würde jetzt nach Hause gehen.
    Ich ging Quinctius Attractus besuchen.
     
    Wenn ein Senator in einen Fall verwickelt ist, fange ich immer ganz oben an. Damit meine ich nicht, daß ich mir viel Erhellendes davon versprach. Ganz im Gegenteil. Ein Mitglied des geehrten römischen Patriziats zu befragen würde höchstwahrscheinlich nur zu der Art von Chaos führen, das nach Meinung mancher Philosophen den äußersten Rand des ewig wirbelnden Universums darstellt: ein Strudel grenzenloser und unergründlicher Dunkelheit. Kurz gesagt, politische Ignoranz, kommerzieller Betrug und offenkundige Lügen.
    Selbst die Provinzler unter Ihnen werden daraus schließen, daß M. Didius Falco, der unerschrockene Ermittler, Senatoren nicht zum ersten Mal Fragen stellt.
    Und Sie werden auch folgendes erkannt haben: Ich ging Quinctius Attractus besuchen, um jede Form von wirbelndem Strudel flugs aus dem Weg zu räumen.
     
    Nachdem es mir gelungen war, den Pförtner mit meinem Rang zu beeindrucken – also gut, nachdem ich ihm einen halben Denarius zugesteckt hatte –, wurde mir gestattet, aus dem scharfen Aprilwind, der durch die Straßen fegte, ins Haus zu treten. Attractus lebte in einer imposanten Villa, die sich unter Kunstwerken bog, die älteren und höher entwickelten Kulturen als der unseren entrissen waren. Ägyptische Türkise und Emaillearbeiten machten thrakischem Gold und etruskischer Bronze den Platz streitig. Pentillischer Marmor füllte die Flure. Daneben unermeßliche Schätze aus Porphyrgestein und Alabaster. An Regale, die sich unter unzähligen Vasen und Gefäßen bogen, waren unaufgehängte Schmucktafeln und phantastische alte Rüstungen gelehnt, zweifellos die Kriegsbeute vieler berühmter Schlachtfelder.
    Quinctius Attractus ließ sich herab, in seinem Vestibül mit mir zu sprechen. Ich hatte noch das robuste, wettergegerbte ländliche Aussehen von vor zwei Tagen im Kopf; heute gab er sich ganz urban – der Staatsmann, der sich der alten römischen Tradition nach die unsichtbare Klammer auf die Nase setzt, ehe er in seinem Heim einen Ungewaschenen empfängt.
    Von einem Gespräch unter vier Augen konnte keine Rede sein. In jedem Torbogen lauerte ein Togazupfer, der es kaum erwarten konnte, herauszuschießen und eine Falte zu glätten. Der Senator war in vollem Putz. Seine Stiefellitzen hatten exakt die gleiche Länge. Die schütteren Locken glänzten und waren steif vor Pomade. Verschob sich einer seiner Ringe etwas seitwärts,

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