Zwielicht in Cordoba
seinem Vater und mir, uns zu seiner Befragung ins Arbeitszimmer zu verziehen. Die gesellschaftliche Konvention schrieb vor, daß Helena Justina bei ihrer Mama blieb.
Nun ja, zumindest so lange, bis sie die Geduld verlor. Und das konnte recht schnell geschehen. Ich hörte, wie ihre Mutter fragte: »Wie steht es mit deiner Verdauung, Helena?« Worauf ich zusammenzuckte und hinter ihrem Papa herfloh. Er hatte sich bereits verdrückt. Für einen Senator war er ein weiser Mann.
XIV
Wir drei saßen zusammen wie ein intellektuelles Symposium. Der Platzmangel in dem kleinen, mit Schriftrollen vollgestopften Raum machte ein kultiviertes Ruhen auf den entsprechenden Liegen unmöglich. Briefe, Abrechnungen und faszinierende Werke der Literatur standen in schwankenden Stapeln um uns herum. Wenn er für seine Unordnung gerügt wurde (was seine Frau regelmäßig tat), behauptete Decimus Camillus Verus, er wisse genau, wo alles sei. Eine seiner sympathischen Eigenschaften. In Wahrheit hatte er wahrscheinlich keine Ahnung.
Der Senator und ich saßen beide aufrecht auf seiner Leseliege. Aelianus hatte sich auf einen Schemel gehockt, der tagsüber vom Sekretär seines Vaters benutzt wurde. Während er an einem Becher mit Schreibfedern herumfummelte, blickte eine Büste von Vespasian von einem Regalbrett auf ihn herab, als wolle unser erhabener Kaiser prüfen, ob der Hals des jungen Mannes auch sauber sei.
Vater und Sohn hatten eine starke Ähnlichkeit. Sie besaßen die gleichen kräftigen Augenbrauen, obwohl die des Jungen dicker waren. Außerdem war er, im Gegensatz zu seinem eher sanftmütigen Vater, verdrießlich und mißmutig. Es war eine Art Trotzphase – unglücklicherweise eine, mit der er sich die Chance verdarb, sich nützliche Freunde zu schaffen. Ihm das zu sagen, hatte keinen Sinn. Seine Umgangsformen zu kritisieren wäre ein sicherer Weg gewesen, ihn zu fatalen Fehlern zu drängen.
»Ich brauche nicht mit Ihnen zu reden, Falco!«
»Das wäre aber ratsam«, wies ihn sein Vater kurz zurecht.
Ruhig sagte ich: »Sie können hier informell mit mir reden – oder Sie riskieren es, daß man Sie auf den Palatin holt und dort durch die Mangel dreht.«
»Ist das eine Drohung?«
»Senatorensöhne werden nicht von der Prätorianergarde zusammengeschlagen.« Ich ließ es so klingen, als könnte das ohne weiteres geschehen, wenn jemand so Einflußreiches wie ich es verlangte.
Aelianus funkelte mich finster an. Wahrscheinlich dachte er, wäre er jemand anderes Sohn, dann hätte ich ihn in eine Weinschenke zu einem weitaus lockereren Gespräch mitgenommen, ohne seine Familie einzubeziehen. Vielleicht hatte er recht.
»Worum geht’s?« wollte er wissen.
»Um einen Toten und einen anderen, der dem Hades schon recht nahe ist. Um eine direkte Verbindung mit Baetica und dem üblen Geruch nach Verschwörung. Ihre Anwesenheit beim letzten Essen der Olivenölhersteller in Gesellschaft eines der Opfer erfordert jetzt eine Erklärung.«
Er wurde bleich. »Wenn ich darüber Auskunft geben soll, werde ich das nur vor einer höherrangigen Person tun.«
»Selbstverständlich«, stimmte ich zu. »Ich weise Sie nur darauf hin, daß Sie sich mit der Bitte um Spezialbehandlung verdächtig machen. Leute, die nichts zu verbergen haben, machen ihre Aussage auch vor einem gewöhnlichen Beamten.«
»Und das sind Sie?« Er war jetzt vorsichtig.
»Das bin ich. Befehl von höchster Stelle.«
»Sie versuchen, mir etwas anzuhängen.« Gute Götter, er gab sich aufsässig. Und ich hatte noch nicht mal begonnen.
»Eigentlich will ich Sie entlasten.«
»Beantworte einfach die Fragen«, riet sein Vater ihm geduldig.
In der Hoffnung auf seinen Gehorsam versuchte ich es in aller Förmlichkeit: »Camillus Aelianus, woher kennen Sie Anacrites, und warum hat er Sie zu dem Essen als seinen Gast mitgenommen?«
»Warum fragen Sie ihn nicht?« Es war sinnlos. Na gut, auch ich war jemandes Sproß. Ich hätte wissen sollen, daß Söhne selten ihren Vätern gehorchen.
»Anacrites ist überfallen worden – und zwar von den Schuften, die in der gleichen Nacht einen seiner Agenten umgebracht haben. Man hat ihn an einen sicheren Ort gebracht, aber er wird vermutlich sterben. Ich muß sehr schnell herausfinden, was da vorgeht.« Mit fiel ein, wie lange es her war, seit ich meiner Mutter den Spion aufgehalst hatte. Es wurde Zeit, nachzufragen – oder sie von der Leiche zu befreien.
Der Senator beugte sich erschrocken vor. »Willst du damit sagen, daß Aulus
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