Zwielicht in Cordoba
du hast mit Valentinus geredet. Dabei wurdest du wahrscheinlich beobachtet, und als ihr dann beide gleichzeitig das Festessen verlassen habt, sah das nach mehr als einem Zufall aus. Aber im Gegensatz zu Anacrites und Valentinus hast du den Palatin nicht allein verlassen. Du gingst in Begleitung von zwei Palastsklaven, die deine Garum-Amphore trugen, zur Brunnenpromenade zurück. Wenn sie nicht gewesen wären, hätte man dich vielleicht ebenfalls überfallen.«
»Der Gedanke ist mir auch gekommen«, gab ich zu. »Ich wollte nur nicht, daß du dir Sorgen machst.«
»Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Dann laß es ganz schnell wieder bleiben. Bedenk doch, du hast hier den ersten nachweisbaren Fall eines Mannes vor dir, dessen Leben durch eine Amphore mit Fischsoße gerettet wurde.«
Helena lachte nicht. »Marcus, du bist in die Sache verwickelt, ob du willst oder nicht.«
Wir schwiegen eine Weile. Plötzlich hatte ich das Gefühl, Anacrites würde hier direkt vor meinen Augen hinübergehen. Wieder spürte ich Wut in mir hochsteigen. »Ich möchte mir den Kerl schnappen, der Valentinus ermordet hat.«
»Natürlich möchtest du das, Marcus.«
»Schließlich war er ein Kollege und hätte ein Freund sein können.«
»Ich weiß.«
Helena Justina sprach immer offen mit mir und ließ mich nie im Zweifel, woran ich war. Wenn die Chance für einen Streit bestand, ergriff sie sie ohne Federlesens. Diese lammfrommen Töne waren besorgniserregend, und ich fürchtete, daß gleich eine große Überraschung kam.
»Helena, ich werde nicht zulassen, daß die Mörder davonkommen. Wenn sie noch in Rom sind …«
»Das sind sie nicht«, sagte Helena.
Sie hatte recht. Das mußte ich schlucken. »Dann werde ich meine Zeit wie üblich verplempern.«
»Laeta wird dich bitten, nach Baetica zu reisen.«
»Laeta kann mich bitten, bis er puterrot wird und ihm eine Ader platzt.«
»Dann bringt Laeta den Kaiser oder Titus dazu, es dir zu befehlen.«
»Dann bekommen sie Ärger mit mir.«
Sie sah mich ernst an. »Ich denke, du solltest dich darauf vorbereiten, nach Spanien zu reisen.«
Nie im Leben, dachte ich – und gleichzeitig begann ich zu überlegen, ob es nicht vielleicht doch machbar war.
Wir schätzten, daß bis zu der Geburt des Babys noch zwei Monate vergehen würden. Rasch rechnete ich es durch: eine Woche für die Schiffsreise plus mehrerer Tage, um über Land nach Corduba zu gelangen. Zehn weitere Tage für die Heimreise. Dazwischen sollte eine Woche ausreichen, die in die Sache verwickelten Leute aufzuspüren und eine Lösung zu finden … O ja. Kein Problem, dorthin zu reisen, die Aufgabe zu erledigen und noch grade rechtzeitig nach Hause zu kommen, um mein Gepäck auf der Fußmatte abzustellen und das neugeborene Baby von der Hebamme in Empfang zu nehmen, die gerade die stolze und glückliche Mama versorgt hatte …
Ein Narr konnte sich einreden, es würde funktionieren, vorausgesetzt, daß nichts schief ginge. Aber ich nicht. Reisen dauern immer viel länger, als man denkt. Und es geht immer etwas schief.
Der Zeitplan war viel zu eng. Und was, wenn das Baby zu früh geboren würde? Wenn ich die Ölkartellverschwörer zur Strecke bringen wollte – was mich kaum interessierte, obwohl auf diese Weise der Staat für meine Fahrtkosten aufkäme – wo war in meinem lächerlich knappen Zeitplan noch Platz dafür, Diana und ihre mörderischen Musiker dingfest zu machen?
»Danke für das Angebot, Helena, aber sei vernünftig. Nur weil alle anderen annehmen, ich würde mich aus dem Staub machen und dich deinem Schicksal überlassen, heißt es ja nicht, daß sie recht haben!«
»Ich komme mit dir«, verkündete sie. Diesen Ton in ihrer Stimme kannte ich. Das war kein bloßer Vorschlag. Helena hatte es satt, von den Verwandten drangsaliert und herumkommandiert zu werden. Sie hatte beschlossen, aus Rom zu flüchten.
In diesem Moment öffnete Anacrites die Augen und sah mich verschwommen an. Sein Körper schien aufzugeben, und seine schwarze Seele war bereits auf dem Fährboot zum Hades. Nur sein Geist klammerte sich noch an das Hier und Jetzt.
Voller Bitterkeit sagte ich zu ihm: »Mir wurde gerade mitgeteilt, daß ich nach Baetica segeln muß, um diese aussichtslose Sache, die Sie da angefangen haben, zu Ende zu bringen!«
»Falco …«, krächzte er. Was für ein Kompliment. Er mochte zwar nicht wissen, wer er war, aber er erkannte mich. Trotzdem weigerte ich mich, den Mistkerl mit Brühe zu füttern. »Gefährliche
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