Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
brachte.
    Helena erzählte mir nach wie vor, welche Gedanken sie beschäftigten. Sie wünschte sich, daß das Kind ein Mädchen würde (und ich wußte warum). Ich wußte ebenfalls, daß sie dem Nächsten, der sie fragte, ob sie auf einen Jungen hoffte, eins über die Rübe geben würde. Sie hatte es gründlich satt, sich ständig anpflaumen zu lassen. Und der Hauptgrund für diese Gereiztheit war ihre Angst. Ich hatte ihr versprochen, bei ihr zu bleiben und alles mit ihr durchzustehen, aber sie nahm an, daß ich eine Entschuldigung finden und die Flucht ergreifen würde, wenn es soweit war. Alle, die wir kannten, glaubten, daß ich sie enttäuschen würde.
    Der Senator seufzte, immer noch in Gedanken bei unserer Unterhaltung mit seinem Sohn. »Marcus, ich wäre glücklicher, wenn weder du noch Aelianus irgend etwas mit dem Spionagenetz des Palastes zu tun hättet.«
    »Mir geht es genauso«, stimmte ich ihm düster zu. »Anacrites hat mir oft genug Ärger bereitet. Aber er hat mir auch Arbeit gegeben – und die brauche ich. Keine Bange. Anacrites ist nicht in der Verfassung, Aelianus wieder in Schwierigkeiten zu bringen. Selbst wenn er durch ein Wunder überlebt, werde ich schon mit ihm fertig.« Die Götter wußten, daß ich genug Übung darin hatte. Dem Senator waren bestimmt Einzelheiten über meine lange Feindschaft mit dem Oberspion zu Ohren gekommen – und wir waren beide der Meinung, daß es Anacrites gewesen war, der bei Domitian, dem Sohn des Kaisers intrigiert hatte, damit mir der gesellschaftliche Aufstieg verweigert wurde. Das war ein persönlicher Schlag für die Camilli gewesen. Sie wollten, daß ich in den Ritterstand aufstieg, um Helenas guten Namen zu schützen.
    »Wie siehst du die Rolle des Oberspions generell, Marcus?«
    »Interessante Frage. Auf dem absteigenden Ast, würde ich sagen. Anacrites ist verschlagen, aber er ist nicht so tüchtig, wie er sein sollte, und er arbeitet mit einem Nachteil: seine Mannschaft war immer klein, und er untersteht den Prätorianern. Also ist seine Aufgabe theoretisch darauf beschränkt, als Leibwächter des Kaisers zu dienen, genau wie die Prätorianer.« Was inzwischen natürlich den Schutz für die beiden Söhne des Kaisers, Titus und Domitian, mit einschloß.
    »Ich denke, der ganze Verein ist reif dafür, einmal kräftig durchgeschüttelt zu werden«, sagte der Senator.
    »Sie meinen, man sollte ihn auflösen?«
    »Vielleicht nicht. Sowohl Vespasian als auch Titus sind nicht davon begeistert, daß sie als Kaiser für erfundene Beweise zahlen müssen, um ihre politischen Gegner zu vernichten. Vespasian wird sich nicht ändern, aber Titus hat vielleicht eine schlagkräftigere Organisation im Sinn – und Titus ist bereits Kommandeur der Prätorianer.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie etwas Bestimmtes wissen, Senator?«
    »Nein, aber ich spüre eine Stimmung unter den Palastangestellten, die darauf hindeutet, daß es bald genug Spielraum für Männer geben wird, die bereit sind, Titus bei der Durchsetzung seiner Ziele zu helfen. Er ist ein ungeduldiger Vorwärtsstürmer, will am liebsten alles schon gestern erledigt haben …«
    Ich wußte, was das bedeutete. »Schnellstmöglich heißt, egal, ob auf legalem Wege oder nicht! Das hört sich gar nicht gut an. Wir wollen doch nicht in die Zeit des Spitzelstaates zurückfallen. Das Spionagenetz, das unter Tiberius und Nero so berüchtigt war, endete meist bei Folterungen in finsteren Verliesen.«
    Bedrückt dachte Decimus darüber nach. Er war ein alter Freund Vespasians und gewieft im Beurteilen der Lage. Seine Ratschläge waren fundiert. »Marcus, das ist deine Welt. Wenn da ein Machtkampf im Gange ist, nehme ich an, daß du eingreifen willst …«
    »Ich würde es vorziehen, so schnell wie möglich in die andere Richtung zu rennen!« Dabei dachte ich an die Folgen. »Es bestehen bereits Rivalitäten«, bestätigte ich im Gedanken an die offene Feindseligkeit zwischen Anacrites und Laeta, deren Zeuge ich bei dem Festessen geworden war. »Anacrites hat mit genau der Art von gewitztem Beamten die Klingen gekreuzt, der Titus vorschlagen könnte, ein neues Spionagenetz aufzubauen, eins mit mehr Machtbefugnissen, das direkt Titus unterstellt sein könnte. Wie auch immer, Anacrites ist schwer verletzt. Falls er stirbt, wird es ein Gerangel um seine Stellung geben.«
    »Wer ist dieser Beamte?«
    »Laeta.«
    Der Senator, der den Obersekretär natürlich kannte, schüttelte sich angewidert.
    Ich hatte das Gefühl,

Weitere Kostenlose Bücher