Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
bereits ein Spielball zwischen Laeta und Anacrites zu sein. Die Lage war ganz danach, daß das Allgemeinwohl – zum Beispiel der reibungslose Ablauf des spanischen Olivenölhandels – völlig in den Hintergrund trat angesichts der sich abzeichnenden verheerenden Verwaltungsfehde. Und es war eine Situation, in der Rom einmal mehr in den Klauen finsterer Mächte landen konnte, die durch Folter und Niedertracht regierten.
     
    In diesem Augenblick beschloß Julia Justa, die schweigend bei uns gesessen hatte, so wie es sich für eine ehrbare Matrone geziemt, wenn ihre männlichen Verwandten Weltbewegendes diskutieren, ihre Rechte auszuüben. Sie winkte Helena zu, sich uns anzuschließen.
    »Es wäre mir lieber, Aelianus aus dieser Sache herauszuhalten«, fuhr Helenas Vater fort. »Ich bedaure inzwischen mehr und mehr, daß ich ihn überhaupt nach Spanien geschickt habe. Der Statthalter ist ein Freund, und ich hielt es für eine ideale Gelegenheit, daß mein grüner Junge bei ihm die Verwaltungsarbeit lernt; außerdem hatte ich ein neues Landgut am Fluß Baetis gekauft, auf dem jemand nach dem Rechten schauen mußte.«
    Helena Justina hatte sich herabgelassen, das Winken ihrer Mutter wahrzunehmen, und kam auf uns zugeschlendert. Decimus setzte hinzu: »Natürlich ist er unerfahren …« Ich hatte bereits erkannt, was kommen würde. »Ich könnte immer noch einen Freund brauchen, der sich um den Besitz kümmert.« Helena, die spürte, daß ich sie lieber nicht als Zuhörerin haben wollte, beschleunigte ihren Schritt und stand im nächsten Moment vor uns. Da war ihr Vater schon nicht mehr aufzuhalten: »Das Ölproblem, von dem der Quästor in seinem Brief spricht, klingt ganz so, als könnte es ein Mann wie du innerhalb weniger Wochen aufklären, wenn er vor Ort wäre, Marcus!«
    Julia Justa entfernte sorgfältig einen Traubenkern von ihrer edlen Lippe. Trocken sagte sie: »Nun ja, hier wird er ja nicht benötigt. Kinderkriegen ist Frauensache!«
    Ich sah mir Helenas Gesichtsausdruck gar nicht erst an. »Baetica kommt nicht in Frage. Ich habe Helena versprochen, hier zu sein, wenn das Kind geboren wird. Das ist mehr als ein Versprechen; es ist mein innigster Wunsch.«
    »Mich wundert nur, daß du nicht vorschlägst, sie mitzunehmen!« schnaubte ihre Mutter.
    Das war unfair, wo ich doch bereits alles Schickliche gesagt hatte. Helena Justinas Lächeln war gefährlich ruhig. »Oh, mich nach Baetica zu verschleppen kommt nicht in Frage!« sagte sie.
    In diesem Augenblick wußte ich, daß ich in Baetica sein würde, wenn ich Helena enttäuschte.

XVI
    »Ich habe ihn am Leben gehalten«, fauchte meine Mutter. »Du hast nichts davon gesagt, daß ich ihn auch zur Vernunft bringen soll. Aber wie ich Männer kenne, hat er die sowieso nie besessen.« Sie schaute zu Helena, deren warmer Blick Zustimmung signalisierte.
    Offenbar schwankte Anacrites jetzt zwischen Wachsein und Bewußtlosigkeit. Er konnte immer noch in die falsche Richtung schwanken und sterben. Einst wäre ich froh darüber gewesen. Jetzt fühlte ich mich für den Mistkerl verantwortlich. Derweilen klappte ihm Mama jedes Mal, wenn er die Augen öffnete, den Mund auf und löffelte Hühnerbrühe hinein.
    »Weiß er, wo er ist?«
    »Der weiß noch nicht mal, wer er ist. Der weiß überhaupt nichts.«
    »Hat er geredet?«
    »Nur gelallt wie ein Besoffener.«
    Dafür mochte es einen Grund geben. »Gibst du ihm was von dem Wein deiner Brüder?«
    »Nur ein paar Tropfen.« Kein Wunder, daß er nicht bei klarem Verstand war. Meine beiden Onkel Fabius und Junius, die gemeinsam einen Bauernhof bewirtschafteten, wenn sie nicht grade versuchten, sich gegenseitig die Kehle durchzuschneiden, stellten eine saures, rotes Kampania-Gesöff von solcher Stärke her, daß es einem das Schmalz aus den Ohren trieb. Ein oder zwei Ziegenschläuche voll davon reichten aus, eine ganze Kohorte trinkfester Prätorianer umzuhauen.
    »Wenn er das überlebt hat, dann ist er gerettet!«
    »Ich hab nie verstanden, was du gegen deine Onkel hast«, brummelte Mama.
    Zum einen verabscheute ich ihren gräßlichen Wein. Zum anderen hielt ich sie für zwei bekloppte, übellaunige Dösköppe.
     
    Helena und ich inspizierten den Kranken. Anacrites sah furchtbar blaß und abgemagert aus. Es war schwer zu sagen, ob er sich in einer seiner wachen Phasen befand oder nicht. Seine Augen waren fast, aber nicht ganz geschlossen. Er machte keine Anstalten, zu sprechen oder sich zu bewegen. Auch auf seinen Namen

Weitere Kostenlose Bücher