Zwielicht in Cordoba
schnauzte Quinctius. Im Prinzip hatte der Mann recht, aber seine Art war unsympathisch.
»Dann wollen wir hoffen, daß Sie alle Gewinn daraus ziehen!« erwiderte Laeta lächelnd mit der heiteren Überheblichkeit des Beamten, der eine bösartige Anspielung macht.
Da ich den Hintergrund dieses Schlagabtausches nicht verstand, mußte ich sehen, wo ich etwas zu meiner eigenen Unterhaltung fand. Als ich hereingekommen war, hatte Anacrites ausgesehen, als würde er sich gut amüsieren. Doch als ich jetzt in seine Richtung schaute, sah ich, daß er ganz steif und still auf seiner Liege lag. Seine merkwürdigen hellgrauen Augen waren verschleiert, sein Gesichtsausdruck undeutbar. Der fröhliche Festgast mit glatt zurückgekämmtem Haar und makelloser Tunika war jetzt angespannt wie eine Jungfrau, die sich zum Treffen mit ihrem ersten Schäfer hinausschleicht. Meine Anwesenheit hatte ihm offensichtlich den Spaß verdorben. Und so wie er schaute – und gleichzeitig so tat, als bemerke er nichts –, gefiel es ihm nicht, daß Laeta mit Quinctius Attractus sprach.
Rasch ließ ich meinen Blick über die auf drei Seiten verteilte Gruppe der Speiseliegen wandern. Die baetischen Eindringlinge zu entdecken, deren Invasion Laetas Kollegen so verärgert hatte, fiel nicht schwer. Man erkannte sie an ihrer typisch spanischen Gestalt – breiter Körper mit kurzen Beinen. Zwei saßen je rechts und links von Quinctius auf den Ehrenplätzen, zwei weitere seitlich zu seiner Rechten. Sie trugen die gleichen Borten an ihren Tuniken und Ausgehsandalen mit zähen Sohlen aus Espartogras. Wie gut sie einander kannten, ließ sich nicht sagen. Sie sprachen Latein, was zu dem teuren Material ihrer Kleidung paßte, aber wenn sie nach Rom gekommen waren, um Olivenöl zu verkaufen, wirkten sie eher zurückhaltend, zeigten nicht die entspannte Selbstsicherheit, mit der man Käufer einwickelte.
»Warum stellen Sie uns nicht Ihren baetischen Freunden vor?« fragte Laeta den Senator. Quinctius sah aus, als hätte er Laeta am liebsten geraten, schnurstracks in die Unterwelt zu verschwinden, aber da wir bei diesem Essen ja alle Blutsbrüder sein sollten, mußte er der Aufforderung nachkommen.
Die zwei Besucher zur rechten Seite, die rasch und eher abschätzig als Cyzacus und Norbanus vorgestellt wurden, hatten in einer vertraulichen Unterhaltung die Köpfe zusammengesteckt. Obwohl sie uns zunickten, waren sie zu weit weg, um ein Gespräch zu beginnen. Die uns näher Sitzenden auf den Ehrenplätzen neben Quinctius hatten geschwiegen, während Laeta sprach. Sie hatten gehört, wie Laeta und der Senator sich gegenseitig mit liebenswürdigen Unfreundlichkeiten zu überbieten suchten, aber ihre Neugier verborgen. Dem Obersekretär des Kaisers vorgestellt zu werden, schien sie mehr zu beeindrucken als die anderen beiden. Vielleicht dachten sie, daß Vespasian nun jederzeit auftauchen könnte, um zu sehen, ob Laeta die morgige Audienzliste fertig hatte.
»Annaeus Maximus und Licinius Rufius.« Brüsk nannte Quinctius Attractus ihre Namen. Er mochte zwar der Patron dieser Gruppe sein, aber sein Interesse an ihnen klang nicht eben väterlich. Etwas freundlicher fügte er jedoch hinzu: »Zwei der wichtigsten Ölhersteller aus Corduba.«
»Annaeus!« warf Laeta sofort ein. Er wandte sich an den Jüngeren der beiden, einen breitschultrigen, kompetent aussehenden Mann von etwa fünfzig Jahren. »Heißt das, Sie sind ein Verwandter von Seneca?«
Der Baeticaner bestätigte es mit einer Kopfbewegung, die aber von keiner großen Begeisterung sprach. Das konnte daran liegen, daß Seneca, Neros einflußreicher Tutor, seine berühmte Karriere mit einem erzwungenen Selbstmord hatte beenden müssen, nachdem Nero seines Einflusses überdrüssig geworden war. Jugendliche Undankbarkeit im höchsten Extrem.
Laeta war zu taktvoll, das Thema weiter zu verfolgen. Statt dessen wandte er sich an den anderen Mann. »Und was bringt Sie nach Rom, mein Herr?«
Offenbar kein Öl. »Ich führe meinen jungen Enkel ins öffentliche Leben ein«, erwiderte Licinius Rufius. Er war eine Generation älter als sein Gefährte, sah aber immer noch so scharf aus wie ein Militärnagel.
»Eine Reise in die Goldene Stadt!« flötete Laeta in dick aufgetragener Unaufrichtigkeit, täuschte Bewunderung für diese kosmopolitische Initiative vor. Ich hätte mich am liebsten unter den nächsten Tisch geduckt und losgelacht. »Welchen besseren Start könnte er haben? Und, weilt der glückliche junge Mann
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