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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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nichts, ihn stärker unter Druck zu setzen: »Ich erhebe keine Vorwürfe. Ich stelle nur Vermutungen an – von meinem eigenen, vielleicht eher zynischem Standpunkt aus.«
    »Haben Sie kein Vertrauen in die menschliche Moral, Didius Falco?« Diesmal schien der alte Mann ehrlich interessiert an meiner Antwort. Er sah mich so durchdringend an, als sei er ein Bildhauer, der prüft, ob mein linkes Ohr vielleicht ein Ideechen höher als das rechte ist.
    »Oh, alle Geschäfte müssen auf Vertrauen basieren. Alle Verträge hängen von Redlichkeit ab.«
    »Das ist korrekt«, erklärte er selbstgerecht.
    Ich grinste. »Licinius Rufius, ich glaube, daß alle Geschäftsleute reicher sein wollen als ihre Kollegen. Alle würden mit Freuden einen Ausländer übers Ohr hauen. Alle sähen es am liebsten, wenn sie die alleinige Kontrolle über ihren speziellen Geschäftszweig hätten, ohne dem Einfluß anderer unwägbarer Kräfte zu unterliegen.«
    »Risiken wird es immer geben!« protestierte er trocken.
    »Das Wetter«, räumte ich ein. »Die Gesundheit des jeweiligen Geschäftsmannes, die Loyalität seiner Arbeiter. Kriege. Vulkanausbrüche. Rechtsstreitigkeiten. Unvorhersehbare politische Entscheidungen der Regierung.«
    »Ich dachte mehr an die Wankelmütigkeit im Geschmack der Kunden«, meinte er lächelnd.
    Leise mit der Zunge schnalzend schüttelte ich den Kopf. »Das hatte ich natürlich vergessen! Ich weiß nicht, wieso Sie im Geschäft bleiben.«
    »Aus Gemeinsinn«, lachte er.
    Eine Unterhaltung mit Licinius Rufius erinnerte an die Stimmung in einer Militärkantine am Abend, an dem der Sold eintraf – wenn alle wußten, daß die Sesterzen sicher angekommen waren, die Auszahlung aber erst morgen erfolgen würde, so daß noch niemand betrunken war. Vielleicht würden wir beide das bald sein, denn Rufius schien zu meinen, mich so erfolgreich vom Zweck meines Besuches abgelenkt zu haben, daß er es sich jetzt leisten konnte, mit einem Händeklatschen einen Sklaven herbei zu zitieren, der ihm Wein eingießen sollte. Auch mir wurde angeboten, meinen Becher aufzufüllen, aber ich lehnte ab, machte deutlich, daß ich nur auf den Abgang des nervösen Dieners wartete, um meine Befragung fortzusetzen. Rufius trank langsam, betrachtete mich über den Rand seines Bechers mit einer Selbstsicherheit, mit der er mich offenbar aus dem Konzept bringen wollte.
    Abrupt senkte ich die Stimme. »Wir sind uns bereits in Rom begegnet. Bei einem Essen auf dem Palatin. Danach wollte ich Sie im Haus von Quinctius Attractus aufsuchen, aber Sie waren bereits abgereist. Sagen Sie, was hat Sie veranlaßt, unsere prächtige Stadt so plötzlich zu verlassen?«
    »Familiäre Verpflichtungen«, erwiderte er prompt.
    »Tatsächlich? Wie ich hörte, warteten auf Ihren Kollegen Annaeus Maximus auch ganz plötzlich familiäre Verpflichtungen! Genau wie auf den Flußschiffer, nehme ich an – und den Negotiator aus Hispalis! Verzeihen Sie, aber für erfahrene Geschäftsleute scheinen Sie alle diese lange Reise ohne genügend Vorausplanung unternommen zu haben.«
    Ich meinte, ihn leicht zusammenzucken zu sehen, aber es war nur eine flüchtige Reaktion. »Wir waren zusammen nach Rom aufgebrochen. Und wir sind auch gemeinsam als Gruppe zurückgereist. Aus Sicherheitsgründen, verstehen Sie.« Zum ersten Mal spürte ich eine gewisse Ungeduld auf meine Fragen. Er wollte mir das Gefühl geben, ich sei ein impertinenter Lümmel, der seine Gastfreundschaft überstrapaziert hatte.
    »Es tut mir leid, aber Ihre Abreise wirkt auf mich verdächtig überstürzt.«
    »Keiner von uns hatte vorgehabt, lange in Rom zu bleiben. Wir wollten alle zur Parilia wieder zu Hause sein.« Sehr traditionsbewußt! Einer direkten Antwort war er mit der Zungenfertigkeit eines Politikers ausgewichen.
    »Was natürlich nichts damit zu tun hat, daß Quinctius Attractus versucht, ein Kartell auf die Beine zu stellen?«
    Jetzt fiel Licinius Rufius keine glattzüngige Antwort ein.
    Ein paar Augenblicke starrten wir einander schweigend an.
    »Hier in Corduba wird weder gehortet, noch gibt es Preisabspachen!« Seine Stimme hatte einen so scharfen, krächzenden Ton angenommen, daß ich zusammenschrak. Er klang außerordentlich wütend. Seine Empörung konnte echt sein. Andererseits wußte er, warum ich hergekommen war, und hatte genügend Zeit gehabt, sich auf einen überzeugenden Wutausbruch vorzubereiten. »Wir haben das nicht nötig. Es gibt genug für alle. Der Olivenölhandel in Baetica blüht

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