Zwielicht in Cordoba
zuvorkommenden Lokalgrößen würde bereitwillig zugeben, was hier vorging. Die Verschwörung aufzudecken, würde eine Ewigkeit dauern – und »Selia« zu finden, die Tänzerin, die so gern Spione überfiel, mochte sich als unmöglich erweisen.
Ich mußte Helena mehr Zeit widmen und gleichzeitig darauf achten, sie nicht zu sehr in meine Arbeit einzuspannen; es strengte sie dieser Tage mehr an, als sie zugeben mochte. Ein anderer Mann mit einer anderen Frau hätte vielleicht Arbeit und Privatleben strikt getrennt. Für uns war das unmöglich. Helena wurde abweisend und unglücklich, wenn ich sie aus meinen Problemen heraushielt. Ermutigte ich sie, mir zu helfen, stürzte sie sich kopfüber hinein – aber war das klug? Falls nicht, wie konnte ich sie davon abhalten? Auf diese Weise hatten wir uns überhaupt kennengelernt, und ihr Interesse würde höchstwahrscheinlich nie nachlassen. Zudem hatte ich mich an ihre Hilfe gewöhnt und war inzwischen darauf angewiesen.
Als hätte sie meine Gedanken gespürt, wachte sie auf. Der entspannte Ausdruck in ihrem Gesicht machte dem Mißtrauen Platz, daß ich etwas im Schilde führte.
»Zerquetsch das Baby nicht«, murmelte sie, da ich mich schon wieder über sie herzumachen begann.
Ich zügelte mich und machte Anstalten aufzustehen. »Solange es noch geht, nehme ich mir, was ich kriegen kann. Du weißt, daß römische Kinder vom Moment der Geburt an ihre Eltern beiseite drängen.«
»Oh, unser Sprößling wird dich schon tyrannisieren«, lachte Helena. »So wie du ihn verwöhnen wirst, weiß er genau, daß er alles mit dir machen kann …« Trotz des Geplänkels schaute sie besorgt. Ich hatte wohl die Stirn gerunzelt bei dem Gedanken, daß wir ihn erst mal irgendwie zur Welt bringen mußten. Lebendig. »Vielleicht sollten wir uns nach einer Hebamme in Corduba erkundigen, Herzchen. Nur falls irgendwas zu früh losgeht.«
»Wenn dich das beruhigt.« Dieses eine Mal schien sie bereit, Rat anzunehmen. Vielleicht, weil er von mir kam. Ich bildete mir gerne ein, mit ihr fertigzuwerden – obwohl es mir vom Moment unseres Kennenlernens an klar gewesen war, daß Helena Justina sich keine Vorschriften machen ließ. Sie war eine echte Römerin. Ihr Vater hatte versucht, sie zu einer sanftmütigen, bescheidenen Partnerin für einen allwissenden Mann zu erziehen. Aber sie hatte auch das Beispiel ihrer Mutter vor Augen, die nach guter römischer Tradition für das andere Geschlecht nur schweigende Verachtung hegte. Helena war also sehr freimütig groß geworden und tat genau das, was ihr gefiel. »Wie bist du mit Licinius Rufius vorangekommen?« fragte sie liebenswürdig.
Ich zog mir meine Tunika über. »Wir haben uns bestens unterhalten, bis Tänzler beschloß, die beschnittenen Buchsbäumchen anzuknabbern.«
»Irgendwelche Ergebnisse?«
»O ja, er hat sie ordentlich zurechtgestutzt …« Helena warf einen Stiefel nach mir. »Also gut, jetzt mal im Ernst: Rufius behauptet, das Horten von Öl und Preisabsprachen seien unnötig. Er sagt, es gäbe genug für alle. Wie Annaeus tat er schockiert bei dem Gedanken, daß ein aufrechter cordubanischer Geschäftsmann so geldgierig sein könnte, sich ein Kartell auszudenken.«
Helena rutschte neben mir an den Rand des Bettes, damit auch sie sich anziehen konnte. »Nun, du bist es ja gewohnt, daß man dich für einen groben Verleumder angeblich ehrenhafter Männer hält – und du bist es ebenfalls gewohnt, sie am Ende als Verbrecher zu entlarven.«
»Ob diese beiden tatsächlich an der Verschwörung beteiligt sind, kann ich jetzt noch nicht sagen – aber sie sind definitiv darauf angesprochen worden. Ich bin davon überzeugt, daß die Sache zur Sprache kam, als sie in Rom waren.«
»Hältst du Annaeus und Rufius für besonders wichtige Figuren beim Aufbau eines Preiskartells?« fragte Helena und kämmte sich langsam das Haar.
Während sie sich bemühte, es zu einem Knoten aufzustecken, kitzelte ich sie am Hals. Sie zu necken hilft mir stets beim Denken. »Ganz bestimmt. Zum einen ist Annaeus ein Duovir und verfügt demnach über Einfluß in Corduba. Überlegen wir mal: Er stammt aus einer bedeutenden hispanischen Familie, die außerordentlich reich ist. Vielleicht hält er korrupte Geschäftsideen für unter seiner Würde. Er könnte sogar zu große Loyalität mit Rom empfinden.«
»Oder hat zuviel zu verlieren!« warf Helena ein.
»Genau. Aber sein Name ist immer noch durch die Entehrung besudelt, für die er nichts kann. Seine
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