Zwielicht in Cordoba
Instrumenten gezeigt. Ich erkannte eine Geburtszange, die wohl dazu benutzt wurde, lebende Kinder sanft herauszuziehen. Doch dann gab es da noch Metallzangen mit Reihen gräßlicher Zacken rechts und links, die vermutlich dazu da waren – wie ich mich aus der alten Geschichte meiner Schwester erinnerte – den Schädel zu zertrümmern, um ihn in Stücken herauszuziehen, wenn alles andere versagt hatte und eine Totgeburt unvermeidlich wurde. Die Frau sah meinen gequälten Ausdruck.
»Wenn ein Kind stirbt, versuche ich die Mutter zu retten.«
»Wollen wir hoffen, daß es nicht dazu kommt.«
»Nein, warum sollte es?« erwiderte sie ruhig. Es gab auch noch ein kleines scharfes Messer zum Durchtrennen der Nabelschnur, also schien es der Alten zu gelingen, hin und wieder auch intakte Kinder auf die Welt zu befördern.
Irgendwie schaffte ich es, mich mit der Vereinbarung zu verdrücken, daß wir nach ihr schicken würden, falls wir sie brauchten, wobei ich der Frau allerdings unsere Adresse vorenthielt. Helena konnte das entscheiden.
Ich war so aufgewühlt, daß ich mich verirrte und die Stadt durch das falsche Tor verließ. Weiße Tauben flatterten auf, als ich vorüber ritt. Da ich nachdenken wollte, lenkte ich Tänzler auf einen Pfad außerhalb der Stadtmauer, der mich zum Fluß bringen würde. Der strahlende Tag stand ganz im Gegensatz zu meiner bedrückten Stimmung. Klatschmohn, Borretsch und Gänseblümchen blühten neben dem Weg, während rosafarbener Oleander die Wälle bis zum Fluß hinab bedeckte, den ich schließlich erreichte. Ich befand mich flußaufwärts, wo er nicht mehr schiffbar war und das sumpfige Flußbett aussah, als würde es nie überflutet. Schmale, gewundene Seitenarme schlängelten sich träge um festere Landzungen herum, die mit undurchdringlichem Buschwerk und sogar Bäumen bestanden waren, in denen wie Reiher oder Kraniche aussehende Vögel nisteten. Auch andere geflügelte Kreaturen – vielleicht Falken oder Wiedehopfe – tauchten gelegentlich in dem üppigen Grün auf, waren aber zu weit weg, um sie genau zu erkennen.
Nahebei tanzten Mückenschwärme, und darüber schossen Schwalben hin und her. Weniger idyllisch war die tote Ratte, die in einer Wagenspur lag, umgeben von einer Fliegenwolke. Ein Stück weiter den Weg entlang stieß ich auf eine Gruppe von Staatssklaven; als Arbeiter hätte ich sie nicht unbedingt bezeichnen wollen. Einer tanzte, zwei hatten es sich auf Schemeln bequem gemacht, und vier weitere lehnten an der Mauer, während sie alle darauf warteten, daß der Steinmetz mit dem Hammer das Zeichen gab, das ihr Tagwerk für beendet erklärte. Nicht lange danach erreichte ich die Brücke.
Der Nachmittag war reine Zeitverschwendung gewesen, und mein Besuch bei der Hebamme hatte mich nicht beruhigt. Angespannter denn je ritt ich zurück zum Gut. Der Abend senkte sich über die fernen Mariana-Berge, und ich wollte bei meinem Mädel sein.
XXXII
Der nächste Tag erwies sich als etwas produktiver, wenn ich ihn auch in düsterer Stimmung begann.
Zerquält von den Gedanken an Helena und das Baby, versuchte ich den Kopf freizubekommen, indem ich Marius Optatus auf dem Gut half. An diesem Morgen sollte gedüngt werden, was ich sehr passend fand. Ich nahm an, daß Optatus merkte, in welcher Stimmung ich mich befand, aber er schwieg auf seine übliche Art, gab mir nur einen Rechen und teilte mir einen Platz unter seinen Sklaven zu.
Ich konnte ihn nicht um Rat bitten. Schließlich war er Junggeselle. Außerdem hätten seine Sklaven es mitbekommen und es sich bestimmt nicht nehmen lassen, ein paar ländliche Volksweisheiten zum besten zu geben. Das letzte, was ein werdender römischer Vater braucht, ist ein Haufen Bauernburschen, die sich kichernd über seine Ängste lustig machen und ihm rieten, unsichtbaren Waldgottheiten in einem von Steinlöwen bewachten keltischen Schrein tief im Wald teures Viehzeug zu opfern.
Ich hätte ja auch ohne weiteres für ein Zicklein und einen Priester des Kaiserkultes bezahlt, wenn ich geglaubt hätte, daß Helena damit in irgendeiner Weise geholfen wäre. Aber die einzigen Götter, an die ich je geglaubt habe, sind die von dieser gesichtslosen Sorte, die in dunklen Kapuzen und mit unheilvoll gesenkten Fackeln daher kommen, auf der Suche nach neuen Klienten zur Einführung in die Unterwelt.
Ich war dem Wahnsinn nahe, das gebe ich zu. Jedem in meiner Lage, der sich näher mit der hohen Sterblichkeitsrate von Müttern und Säuglingen befaßt hat,
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