Zwielicht in Cordoba
Familie wurde zu Außenseitern gemacht – und er muß an seine Söhne denken. Aus Verbitterung könnte er zum Rebellen werden. Wenn man dann noch seinen gewaltigen Einfluß auf die örtliche Politik hinzurechnet, wäre ich zweifellos scharf auf ihn, wenn ich Leute für ein Kartell gewinnen will.«
»Ebenso könnte er es vorziehen, sich da rauszuhalten«, hielt Helena dagegen. »Seine Familie hat erlebt, was mit Verschwörern geschieht. Vielleicht führt er lieber ein ruhiges Leben.« Ich bedachte dieses Argument, während sie nachdenklich die Lippen spitzte. »Was ist mit Rufius?«
»Da liegt die Sache anders. Er ist ein neuer Mann. Getrieben von Ehrgeiz für seine Enkelkinder«, sagte ich. »Wenn er sich der Sache anschließt, tut er es, weil er den kürzesten Weg zu Macht und Einfluß sucht. Falls ein Preiskartell gebildet wird, wäre es ihm recht, als dessen Gründer betrachtet zu werden. Andere Mitglieder wären dann eher bereit, seinen Enkel zu fördern. Also muß ich mich entscheiden: Ist er ehrlich oder unehrlich?«
»Und was glaubst du?«
»Er wirkt ehrlich.« Ich grinste sie an. »Was wahrscheinlich bedeutet, daß er ein durchtriebener Gauner ist!«
Endlich gelang es Helena, sich mir so weit zu entziehen, daß sie ihren Haarknoten mit einer Elfenbeinnadel befestigen konnte. Sie stemmte sich vom Bett hoch und ging zur Tür, um Nux reinzulassen. Ich hatte die Hündin vorher ausgesperrt, weil sie eifersüchtig wird, wenn wir Zärtlichkeiten austauschen. Nux schoß herein und verkroch sich trotzig unterm Bett. Helena und ich lächelten, schlichen uns hinaus und ließen Nux zurück.
»Und was jetzt, Marcus?«
»Mittagessen.« Ein Ermittler muß seine Prioritäten setzen. »Dann reite ich zurück nach Corduba, um zu sehen, ob ich Cyzacus, den Flußschiffer, auftreiben kann. Schließlich ist er kein verdammter Schäfer und hat bestimmt keine Herde zum Ausräuchern. Ich kann nicht glauben, daß sein Büro wegen der Parilia tatsächlich für drei Tage geschlossen ist.«
Langsam ritt ich auf dem Gaul zur Stadt. So langsam, daß ich einzudösen begann und beinahe runterfiel.
Das Büro des Flußschiffers war tatsächlich nach wie vor geschlossen. Es gelang mir nicht, jemanden zu finden, der seine Privatadresse kannte. Damit war ein weiterer Nachmittag meiner kostbaren Zeit verschwendet, und ich begriff, daß es keinen Zweck hatte, vor frühestens übermorgen wiederzukommen.
Da ich nun schon mal in Corduba war, machte ich mir Helenas Zustimmung zu Nutze und suchte eine Hebamme auf. Sowas ist mit Schwierigkeiten verbunden, wenn man fremd in einer Stadt ist. Meine Schwestern in Rom, immer ganz heiß auf Sensationsgeschichten, hatten mir bereits mit wilden Beschreibungen verrückter Geburtshelfer Angst gemacht, die die Mutter grausam drangsalieren, damit das Baby herauskommt, die arme, in Wehen liegende Frau auf dem Bett festbinden, dann den Fuß heben und plötzlich zutreten … Meiner ältesten Schwester war einst ein totes Baby in der Gebärmutter zerstückelt worden. Keiner von uns anderen hat sich je ganz davon erholt, uns bei unserer Saturnalien-Zusammenkunft die Einzelheiten bei Nüssen und gewürztem Wein anhören zu müssen.
Ich ging zum Forum und fragte verschiedene ehrbar aussehende Leute nach der Adresse einer guten Hebamme, überprüfte die Angaben dann bei einer Priesterin im Tempel, die trocken lachte und mir jemand ganz anderen nannte. Wahrscheinlich ihre Mutter; die Frau, die ich schließlich aufsuchte, sah mindestens wie fünfundsiebzig aus. Sie wohnte in einer so schmalen Gasse, daß ein Mann mit vernünftiger Schulterbreite sich kaum durchzwängen konnte, aber ihr Haus war sauber und ruhig.
Ich schnüffelte verstohlen, um zu sehen, ob sie getrunken hatte und vergewisserte mich, daß ihre Fingernägel und Hände sauber waren. Da ich sie mir nicht in Aktion ansehen konnte, mußte ich mich damit begnügen. Wenn es schließlich soweit sein würde, war es für eine Überprüfung ihrer Methoden zu spät.
Sie stellte ein paar Fragen über Helena und erklärte mir mürrisch, da sie sich wie ein gesundes, dralles Mädchen anhörte, würde sie vermutlich ein großes Kind bekommen, was natürlich zu Schwierigkeiten führen könnte. Ich kann es nicht leiden, wenn solche Leute gleich von Anfang an so besserwisserisch sind. Als ich darum bat, ihre Ausrüstung sehen zu dürfen, wurde mir bereitwillig ein Geburtsstuhl, Krüge mit Öl und anderen Essenzen und (sehr flüchtig) eine Tasche mit
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