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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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Strand gab es keine um diese Jahreszeit. Sich durch Schals, Kapuzen usw. zu wühlen, war viel zu zeitintensiv. Bis sie die richtige Stelle freigelegt hatte, konnte das ausgewählte Opfer bereits geschrien oder im ärgsten Fall zugeschlagen haben.
    Es gab natürlich noch eine Methode des Annäherns, die ihr aber momentan nicht sehr zusagte. Sexy sein half immer, aber das hieß auch, den Erwählten bis auf einen bestimmten Punkt an sich heranlassen zu müssen. Irgendwo, wo sie alleine waren und unbeobachtet. Mit nach Hause nehmen kam jedoch nicht in Frage. Und länger als eine halbe Stunde Zeit hatte sie auch nicht, denn weiter zurück ging der Kuss des Vergessens nicht. Diese Methode konnte sehr gefährlich sein, auch für ein Wesen ihresgleichen. Was war, wenn der Kerl sie betäubte, oder niederschlug? Oder ihr einfach nur keine Gelegenheit gab, an seine Schlagadern zu kommen? Dann konnte sich die Opferrolle schnell umkehren.
    Ihre neuen Freunde hatten natürlich ähnliche Probleme. Sophie wusste sofort, wenn es einem ihres Kleeblattes schlecht ging. Sie spürten es alle, es lag wie eine unsichtbare Spannung in der Luft, nur sprachen sie nie miteinander darüber, bis zu jenem Tag.
    In der letzten freien Nacht vor Schichtantritt ging es Sophie besonders schlecht, sodass sie gereizt auf alles reagierte, was ihr Bruder zu ihr sagte. Fast hätte sie ihn geohrfeigt, als er vorschlug, sie solle den Pizzalieferanten rufen, damit sich beim Meckern nicht immer ihre Zähne ausfuhren.
    Gregor hatte sie kurzerhand alle in sein Auto geladen und war mit ihnen in die Stadt gefahren. In einer Seitenstraße parkte er den Kleinwagen. Mit schnellen Schritten liefen sie durch die Novemberkälte. Sophie zitterte am ganzen Körper und ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander. Gregor hatte sie um die Taille gefasst und führte sie mit sanfter Gewalt in Richtung Lichtspielhaus. Er suchte den absolut schlechtesten Film aus und sie setzten sich in die letzte Reihe. Dort in der Dunkelheit versuchte sich Sophie zu beruhigen, indem sie ihre Arme um sich schlang und kaum merklich von vorn nach hinten wippte. Wenige Reihen vor ihr saß ein Pärchen zum Knutschen. Die anderen Kinobesucher - es waren sehr wenige - saßen im mittleren Teil des Kinos. Jan nahm seine Schwester in den Arm und flüsterte ihr einige Anweisungen ins Ohr. Sie wusste, sie konnte sich auf ihn verlassen und tat genau das, was er ihr sagte. Eine Wahl hatte sie sowieso nicht.
    Es ging alles ganz schnell. Jan setzte sich in die Reihe hinter die junge Frau. Sophie setzte sich neben den Mann ganz vorn auf die Kante der Sitzfläche. Eine Entschuldigung flüsternd erkundigte sie sich, ob sie bereits viel verpasst hätte. Als dieser sich ihr hilfsbereit zuwandte, nahm sie ihn in den Arm und schlug ihre Zähne in seinen Hals. Für Außenstehende mochte es wie eine innige Begrüßung ausgesehen haben. Jan hatte sich rechtzeitig über die Sitze gebeugt und die junge Dame begrüßt. Anschließend ließen sie das Pärchen, mit den Köpfen aneinander gelehnt, zusammengesackt in ihren Sitzen zurück. Eine Minute war vergangen und die Welt war wieder in Ordnung, bis zum nächsten Mal.
    „Danke, Jan. So schlecht ging es mir lange nicht.“ Stöhnend ließ sich Sophie in den Kinosessel fallen.
    „Tu dich nicht immer so schwer damit. Man könnte meinen, du ekelst dich.“ Jan wischte sich mit dem Schal der jungen Frau den Mund ab.
    „Vielleicht ist es auch so, vielleicht ekele ich mich tatsächlich.“
    Herausforderung lag in ihrer Stimme, der Stress rauschte noch immer durch ihre Adern, wenn es auch nicht mehr lange dauern mochte, bis sie ruhiger werden würde.
    „Vor den Leuten oder vor dir selber?“
    Sie antwortete nicht, denn sie wusste keine Antwort. Stumm starrte sie auf die sich bewegenden Bilder der Leinwand.
    Er legte von hinten die Arme um sie und flüsterte:
    „Nun erzähl mir bloß nicht, es hat dir gerade keinen Spaß gemacht. Einfach hierher zu gehen und dir zu nehmen, was du brauchst.“
    Wieder antwortete sie nicht, denn wieder wusste sie die Antwort nicht.
    Jan konnte ein Stinktier sein, aber er wusste auch, wann genug war und so schwieg er, bis sie zurück im Auto waren.
    „Sophie, es tut mir leid, dass du immer so zerrissen bist, aber sei doch einmal zufrieden mit dem, was ist.“ Jans Gesicht hatte einen ernsten Ausdruck angenommen, das war selten und bedenklich.
    „Wir sind doch ein klasse Team und haben eine tolle Zeit. Lass es doch einfach mal laufen.“
    Bevor

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