Zwielicht über Westerland
anschlich. Für sie als Nachtschwester hieß es im Dunkeln zur Arbeit, im Dunkeln zurück, und schlafen, wenn es draußen hell war. Obwohl sie wie jeder Vampir mit der Sonne so ihre Schwierigkeiten hatte - jetzt fehlte sie ihr.
Matt fehlte ihr auch. Manchmal dachte sie, sie hätte den letzten Tag mit ihm lieber nicht erleben sollen, dann würde er ihr auch nicht fehlen. Aber dann kam die Erinnerung an die zärtliche Stimme und seine Art, sie anzusehen, und sie besann sich.
Er hatte nicht versprochen anzurufen oder sich irgendwie zu melden und er tat es auch nicht. Trotzdem dachte sie immer wieder an seine letzten Worte. Er hatte ihr sein Wort gegeben und sie zweifelte nicht daran. Mehr konnte sie nicht tun. Glauben und träumen.
An einem besonders stürmischen Mittwochabend, war sie von Vanessa mit dem Auto abgeholt und zur Arbeit gefahren worden. Leider hieß es dann aber am nächsten Morgen, einen schönen Fußmarsch zurückzulegen. Eingemummelt machte sie sich auf denHeimweg und freute sich auf ihr molliges Bett. Die Nacht war anstrengend gewesen und hatte damit geendet, dass der diensthabende Arzt einen Kurgast erst verwarnte und schließlich dessen Abreise für den nächsten Tag anordnete. Überhaupt machte ihr der Dienst nur halb so viel Freude, seit sie nicht mehr zu hoffen brauchte, dass Matt um die Ecke kam, um mit ihr Tee zu kochen. Es war albern, sie kannten sich kaum, aber ohne ihn war alles grau in grau. Vielleicht lag es auch an dem Wetter, dachte sie und zog den Schal höher in ihr Gesicht.
Der einzige Lichtblick war ihre Zeit mit Vanessa, Gregor und Jan, der nun bei den beiden wohnte. Manchmal begleitete sie Anna nachmittags in ein Café, aber eben nur manchmal, wenn es ihr gut ging.
Abends hingegen gingen die vier alleine aus, wenn Nachtwachefrei war oder sie kochten zusammen und spielten Karten. Gregor erzählte ihnen gerne Geschichten aus Zeiten, in denen er noch auf Leinwand malte und statt in Töpfen in Farben rührte. Alle anderen Abende verbrachte Gregor in der Klinik. Es schien ihm sehr ernst mit Anna zu sein. Sophie fragte sich jeden Tag, wie es enden sollte mit den beiden. Ende des Monats würde Anna zurück nach Hause fahren.
In der alten Kaserne hatten seit der Willkommensparty keine Treffen mehr stattgefunden. Sophie war froh darüber, ihr war es dort zu unheimlich gewesen. Jan hatte darüber gelacht und behauptet, dass sie selber das einzig gruselige Wesen am Ort gewesen wäre. Liebenswert wie immer, eben ihr Bruder. Er hatte eine Stellung als Assistenzarzt in einer anderen Klinik bekommen. Zum Dienst trug er eine dicke schwarze Brille, mit der er wenigstens ein bisschen älter aussah. Vom Fachwissen her war dies kein Problem, immerhin hatte er mehrere Jahrzehnte studiert. Von der Reife her fand Sophie ihn absolut unpassend, zumindest, wenn er dienstlich so war wie privat, aber wer war das schon.
Zwischen Vanessa und Jan funkte es immer noch und Sophie konnte ihren Bruder sogar verstehen. Sie hatte sich mit Vanessa ausgesprochen und festgestellt, dass sie beide eigentlich nur zum eigenen Schutz und dem der Gemeinschaft gehandelt hatten. Vanessa war bei dem Versuch, sich ihr Notizbuch zu holen, von Anja überrascht worden. Diese hatte gedacht, sie würde sich an der Pfandgeldkassette für die Parkplatzkarten bedienen wollen. Um Ärger zu vermeiden und um ihren Arbeitsplatz zu behalten, hatte sie keinen anderen Ausweg gewusst und sofort handeln müssen, bevor Anja mit jemanden darüber sprechen konnte. Sie beteuerte, dass sie auf keinen Fall vor hatte, Sophie zu schaden und sie glaubte ihr. Ahnte sie doch, wie viel Respekt die anderen vor Alex hatten. Vanessa hatte Alex über Martha informiert, aber viel gab es nicht zu erzählen. Erfahren hatte sie nicht, wer der enttarnte Blutsüchtige gewesen war. Martha hatte groß die Werbetrommel geschlagen, um ihresgleichen aufzurütteln, aber verraten hatte sie niemanden. Das war nicht ihr Stil gewesen, Selbstmord allerdings auch nicht, da waren Sophie und Vanessa sich einig.
Es hatte sich langsam eine Art Freundschaft zwischen den vieren entwickelt und Sophie war Herrn Wunk nun sehr dankbar dafür. Nur ein Problem brachte diese neue Situation für sie mit sich. Vanessa war auch mit Kevin und seiner momentanen Flamme befreundet. Dies machte es für sie unmöglich, sich weiterhin bei ihm zu bedienen. Während der Dienstphase gab es keine Versorgungsengpässe, aber in den Freiphasen ging es ihr schlecht. Leicht oder kaum bekleidete Leute am
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