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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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Sophie lächelte über ihre Freundin, die anscheinend nicht viel für den gemeinsamen Kollegen übrig hatte.
    „Magst du Rolf grundsätzlich nicht, oder ging es dir auch so wie mir eben?“ Sie ging davon aus, dass Vanessa wusste, was sie meinte.
    „Du meinst das Blut? Das juckt mich nicht. Ich kann nur das Gejaule nicht vertragen. Wir mussten ihn zu zweit hier her bringen, wegen dem bisschen Wunde. In der Küche macht er immer auf harten Kerl, schnorrt sich Kaffee und quatscht meine Mädels an. Jammerlappen. Gut, dass Männer keine Kinder kriegen können, das würden die nicht überleben.“
    „So kenne ich dich gar nicht. Red’ nicht so über Kollegen, morgen hast du wieder Stress mit deinem Fettabscheider und bist froh, wenn Rolf deswegen länger bleibt.“
    Vanessa schwieg und pustete nach einer Haarsträhne. Um die Situation zu retten, schlug Sophie einen milderen Ton an.
    „Lass ihn sein, wie er ist, aber bedient hätte ich mich trotzdem gerne.“
    Ihre Freundin verzog angewidert das Gesicht. Sophie grinste.
    „Da stehst du also auch nicht mehr drauf, na gut. Komm, mach Feierabend, oder willst du noch mit Gregor sprechen? Er kommt sicherlich gleich nach dem Abendbrot.“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Der soll mir lieber aus dem Weg gehen. Er ist so unvorsichtig geworden. Läuft hier überall rum. Letzte Woche habe ich ihn morgens auf dem Parkplatz gesehen. Der Spinner soll uns und unsere Arbeitsplätze nicht gefährden. Anna ist sowieso bald weg, was soll’s.“
    „Vanessa, jetzt ist aber gut. Du hast recht, er ist unvorsichtig, aber er ist richtig verliebt in Anna. Ich find das süß. Lass ihm die letzten Tage mit ihr. Du weißt doch, wie das ist, oder?“
    „Ja klar, deswegen mach ich mir auch Sorgen. Wenn sie wenigstens eine von uns wäre. Ich glaube, das gibt noch richtig Ärger.“
    Daran gedacht hatte Sophie mehr als ein Mal. Seit er Anna kennen gelernt hatte, malte er wieder auf Leinwand, nicht auf der Straße. Es war, als wenn er sich mit seiner Erinnerung auseinander setzte, ihr Farbe verlieh. Die Motive, die Farbgestaltung, die Stimmung, waren nicht aus dieser Zeit. Keine Experimente, keine Provokation, keine Sozialkritik, sicherlich machte das den Reiz seiner Bilder aus. Wenn sie ihn lobten, zog er sich zurück und behauptete, dass seine Zeit gewesen wäre. Sein Meister war ein Wegbereiter gewesen, ein verarmter Idealist. Er selbst wollte nur malen um seinetwillen und der Schönheit wegen. Letztendlich war der Grund unwichtig, warum er nach zwei Dekaden wieder zu seiner alten Liebe gefunden hatte. Sophie und Jan bewunderten ihn dafür. So überbrückte er den arbeitslosen Winter und die Zeit bis zum täglichen Treffen mit seiner rothaarigen Nixe.
    „Du hast recht, ich sollte nach Hause gehen und auf Jan warten. Lass ich meine schlechte Laune eben an ihm aus.“ Sie lächelte ein wenig.
    „So gefällst du mir besser, Vanni.“ Sie knuffte sie auf den Arm.
    „Ach, und übrigens: Wir können auch keine Kinder bekommen. Hast du mal daran gedacht, dass das vielleicht ganz gut so ist? Wer weiß, wie wir jammern würden. Da hab ich doch lieber ein Loch im Kopf.“ Es war nicht wahr, sie wusste es, aber Vanessa ahnte nicht, dass es eine Art von Zweckoptimismus war.
    Vanessa hatte sich erhoben und öffnete die Tür.
    „Damals war es nicht ungewöhnlich, mit neunzehn zu heiraten und ein Baby zu bekommen. Es hat nicht lange gelebt. Ich hätte gerne wieder ein Kind.“
    Sophie streckte den Arm nach ihr aus und ging einen Schritt auf sie zu.
    „Ich auch, aber es ist müßig, darüber nachzudenken.“
    Fast hatte sie Vanessa erreicht, doch diese schob sich mit einem „Sicher?“ durch die Tür.
    Sophie sah ihr nach, wie sie schnellen Schrittes den Gang entlang lief, und fragte sich, was sie hätte Besseres antworten können. Die Frage begleitete sie bis zu dem Zeitpunkt, als sie von einer Blutabnahme in eigener Sache zur Rezeption zurückkehrte. Die Diensthabende kopierte gerade einige Unterlagen und wies sie an, auf eine der Mukoviszidosepatientinnen besondere Obacht zu haben. Noch bevor die Ärztin ihr den Namen sagen konnte, sah sie Gregor allein auf dem kleinen Zweisitzer. Er starrte auf sein Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe. Sophie trat neben ihn.
    Sie hatten vermieden, über Anna zu sprechen, sie hatten ihm seine Privatsphäre gelassen und seinen Traum. Hatten sie gedacht, er würde Anna einfach gehen lassen? Hatten sie gedacht, er würde schon zur Vernunft kommen? Oder waren sie

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