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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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Opfers gedacht. Selten auch um etwas vergessen zu machen, was sie hier ausschließen konnten, denn Vanessa hatte den Kuss des Vergessens nicht erhalten. Das wiederum war eine schlimme Bestrafung von körperlicher und seelischer Art und wurde eigentlich nie praktiziert, war sogar verboten. Sophie hatte von einem Fall gehört, in dem ein Mann seine untreue Frau auf die Art zu strafen versucht hatte. Sie war an den Krämpfen bei vollem Bewusstsein gestorben. Sie waren eben nur nahezu unsterblich.
    „Ich wollte euch Dreien heute etwas sagen“, begann Vanessa.
    „Seit zwei Wochen habe ich keinen Tropfen Blut mehr gebraucht.“ Überrascht starrten die Freunde sie an. Mit dieser Enthüllung hatten sie nicht gerechnet. Gregor fasste sich an den Hals und setzte sich an den gedeckten Tisch, ohne seine Schwester aus den Augen zu lassen. Jan hielt Vanessas Hand und ermutigte sie zum Weitersprechen.
    „Im Frühling hab ich mir abends in der Klinikküche mit der Wurstschneidemaschine in den Finger geschnitten. Dabei bin ich ohnmächtig geworden und sie haben mich auf Station gebracht. Der Diensthabende hatte Stress mit einer Patientin, die fast im Bewegungsbad ertrunken wäre. Dr. Wagner war zufällig im Haus und hat mir meine Fingerkuppe dann wieder angenäht. Als er mein Blut untersucht hat, ist ihm eine Parallele zu seinem Forschungsthema, dieser Muki- Dingsda aufgefallen.“
    Sie putzte sich die Nase, hielt ihren Hals hin und fragte ihren Freund:
    „Wie sieht die Stelle aus?“
    Ihre Stimme wackelte, Jan aber lächelte und beruhigte sie: „Wie es immer aussieht.“
    Sophie packte eilig den Schal aus und legte ihn ihr um. Vanessa schluchzte erneut.
    „Du kannst sagen, ich war das, weil du mich so rasend machst“, flüsterte Jan ihr zu und erntete entnervte Seufzer von seiner Schwester.
    Gregor konnte die Spannung nicht mehr ertragen und lief auf und ab.
    “Nun erzähl weiter, Vanni.“
    Sie holte tief Luft. „Dr. Wagner hat dann eine Studie mit mir angefangen. Ich musste jede Woche Blut abgeben und nach drei Monaten hat er angefangen, mir Medikamente zu geben. Erst haben sie nichts bewirkt, aber irgendwann konnte ich besser mit der Sonne klarkommen und hatte weniger Drang. Konnte schwimmen gehen und musste nicht pausenlos an diese ewige Beschaffung denken. Ich hab mich das erste Mal seit vierzehn Dekaden normal gefühlt, so wie vorher.“
    Ihre Augen leuchteten plötzlich. In ihr war so viel Hoffnung auf ein neues, ganz anderes Leben zu sehen, dass Jan, der sie fragen wollte, warum sie ihn nicht eingeweiht hatte, schwieg.
    „Martha war damals gerade bei uns zu Gast in der Klinik. Alex hatte mich auf sie angesetzt, aber sie hat mich durchschaut und überhaupt nur bestärkt in meinem Entschluss. Nachdem sie ermordet worden ist, habe ich niemandem mehr getraut. Und dann kam Jan hierher und du, Sophie, und ich hatte Angst, ihr versteht mich nicht. Wir sind doch Freunde, ich wollte nicht…
    Sie holte erneut Luft.
    „Immer, wenn ich es euch sagen wollte, war irgendwas. Das mit Dr. Wagners Abreise oder das mit Anna und Gregor. Und Jan, du findest alles gut so, wie es ist. Ehrlich gesagt war ich wohl zu feige.“
    Jan fasste ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich.
    „Vanessa, wer war hier und hat dir das angetan?“
    „Sievert Ole Pellgren“, flüsterte sie und verbarg ihr Gesicht hinter dem neuen Schal.
    Sophie rutschte dichter an sie heran.
    „Langsam, Jan. Vanessa, glaubst du oder weißt du das mit Marthas Ermordung.“ Sie sah sie eindringlich an.
    „Er hat es gesagt. Er dachte, sie hat die Gemeinschaft verraten, weil sie immer so Sachen rumerzählt hat. Dabei bin ich die Verräterin, aber ich wollte doch…
    „Du kannst nichts dafür. Denk dich da nicht rein. Martha wusste genau, was sie tat. Und es war richtig von dir, uns zu schützen.“ Jan streichelte ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Für einen Moment saßen sie alle vier auf dem Sofa und schwiegen, um das Gehörte und Erlebte zu begreifen.
    „ Was wollte Pellgren hier?“
    In Gregor kam Wut auf.
    „Pellgren wollte mit mir reden, sagte er zumindest. Er war erst ganz freundlich, bis wir im Wohnzimmer waren. Dann hat er Fragen gestellt über Dr. Wagners Forschungen und so. Ich hab behauptet, ich weiß von nichts, aber er hat mir nicht geglaubt und mir ins Gesicht geschlagen. Dabei ist mein Dekadenstrauß umgefallen.“ Sie starrte auf die Fransen ihres Schals.
    „Ich kauf dir einen neuen“, tröstete Jan.
    Doch statt sich zu freuen wurde ihre

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