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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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Mimik wie versteinert. Langsam erhob sie sich und ließ die Wolldecke auf den Boden gleiten. Auf das Sideboard starrend, lief sie zu diesem hinüber. Fast hysterisch durchwühlte sie den ausgeschütteten Inhalt ihrer Tasche und rief:
    “Es ist weg. Es ist weg, er hat es mitgenommen. Mein Medikament, es ist weg.“
    Sie kamen alle zu ihr und suchten gemeinsam, wovon sie wussten, es war nicht mehr da. Mehr Hilfe konnten sie ihr in diesem Augenblick nicht anbieten.
    Nach wenigen Minuten hatte sich Vanessa beruhigt und erzählte ihnen, dass Pellgren sie von hinten an den Haaren in die Knie gezwungen hatte. Sie konnte nicht verhindern, dass er sich über sie beugte. Danach war sie sofort unbeweglich geworden, unfähig zu rufen, aber bei vollem Bewusstsein. Fast flüsternd berichtete sie ihnen, dass er noch einmal im Wohnzimmer verschwunden war und von dort aus gerufen hatte: „Dreckige Verräterin, denkst du, dein kleiner Doktor will dich noch, wenn er dich so sieht? Du wirst nie zu irgendeiner Seite mehr gehören, wenn ich mit dir fertig bin.“
    Dann war er über ihren zuckenden Körper gestiegen und hatte das Haus verlassen.
    Vanessas Gesicht verriet Scham und Angst. Sophie hätte gerne etwas gesagt, um sie zu trösten, ihr die Last zu erleichtern, aber ihr fiel einfach nichts anderes ein, als ihre Hand zu halten.
    Was mochte jetzt in ihrem Bruder vor sich gehen? Sie konnte förmlich die Gedanken durch seinen Kopf rauschen sehen, bloß was er dachte, riet sie nicht. Er saß da, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Unterlippe leicht vorgeschoben. Das konnte bei ihm Entschlossenheit oder auch Ablehnung bedeuten. Hatte er die ganze Zeit damit verbracht zu trösten, beschäftigten ihn nun die Konsequenzen der Tat. Das Warum betraf nicht nur Pellgren, sondern auch Vanessas Taten und ihr Schweigen.
    Die Stille im Raum war kaum zu ertragen und wurde nur von Gregor durchbrochen, der erneut im Bad verschwunden war.
    Plötzlich kam eine der Lösungen, die Sophie vergangene Nacht gesucht hatte, einfach zu ihr geflogen und erledigte dieses neue und ihr eigenes altes Problem.
    „Weißt du, Vanessa, was wir machen? Wir werden Matt anrufen. Sein Onkel ist nicht auf der Insel, das hab ich in der Klinik erfahren. Aber vor einiger Zeit hat Matt ein Fax bekommen und wir führen ein Faxregister. Das werde ich mir heute Nacht vornehmen und eine Nachricht an seine Auftraggeber senden.“
    Vanessa lächelte und schaute zu Jan hinüber. Jetzt war es Zeit für ihn, sich zu äußern. Sophie wollte die beiden dazu alleine lassen. Was jetzt zu sagen war, betraf sicherlich nur die beiden, denn immerhin ging es hierbei nicht nur um den Überfall auf Vanessa, sondern auch um Vertrauen, Angst, Zukunft und Verrat. Jan jedoch gab ihr ein Zeichen, sich zu setzten, was sie sehr wunderte.
    Er war heute ganz anders als sie ihn kannte. Gregor kam mit aschgrauer Gesichtsfarbe herein und setzte sich still auf einen der Stühle am Tisch, ganz nah an der Tür.
    „Das kommt davon, wenn man Liebeskummer ersaufen will“, setzte Jan an. „Wir sind nicht dafür gemacht. Lass es einfach sein, Mann.“ Sein Ton war hart Gregor gegenüber, aber er schien Recht zu haben, denn Gregor erwiderte nichts und fingerte an einer Serviette herum. Sophies Bruder erhob sich wie zu einer weiteren Standpauke.
    „Also erstens möchte ich, dass Vanessa von hier verschwindet, bevor der Typ nochmal zurück kommt, denn das war heute mehr als eine Warnung. Wenn wir nur eine halbe Stunde später gekommen wären, wäre es vorbei gewesen.“
    Vanessa schaute ihn ängstlich fragend an und auch Sophie war sich nicht ganz sicher, ob Jan auch aus eigenen Motiven Vanessas Verschwinden befürwortete.
    „Zweitens möchte ich, dass Gregor mitgeht. Er hängt hier sowieso nur rum und tut nichts Gescheites. Mach dich nützlich und pass auf Vanni auf.“
    Gregor nickte stumm.
    „Drittens will ich mit dem Amerikaner sprechen, versuch das in die Wege zu leiten, Sophie.“
    „Geht klar, aber hör auf mit dieser Alex-Nummer, das steht dir nicht.“
    Sie ärgerte sich darüber, dass er Vanessa in der Luft hängen ließ und den Freunden Befehle erteilte. Sie sah es seinem Mund an, erst rang er um Fassung, dann setzte er sich brav an den Tisch zu ihnen.
    Still ging jeder seinen eigenen Gedanken nach und versuchte zu ordnen, was zu ordnen ging. Ein Streit in dieser Situation konnte alles zerbrechen. Sie waren angespannt, denn das Einzige, was klar war, war ein baldiger Abschied. Eine

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