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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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gegen diese Art von Logik antreten? Sie war so positiv in allen Dingen, dankbar für Kleinigkeiten, einfach etwas Besonderes. Er küsste sanft ihre Stirn und lächelte in sich hinein.
    Sophie hatte genug gehört. Mit möglichst leisen Schritten eilte sie zum Fahrstuhl. Es war den Nachtschwestern nicht erlaubt, ihn zu benutzen. Die Gefahr, damit in der Nacht stecken zu bleiben, war angeblich zu groß. Sie tat es trotzdem, um einen kleinen Vorsprung vor Gregor zu haben. Mit klopfendem Herzen setzte sie sich hinter die Rezeption und legte den Kopf auf die Arme. Sollte er denken, sie hatte geschlafen, das würde ihre verwirrte Verfassung erklären und ihr einen weiteren Vorsprung verschaffen.
    Annas Argumente waren zauberhaft gewesen, wie sie selbst, aber er hatte sich entschieden. Bevor die Krankheit sie ihm nehmen würde, würde er sie gegen ihren Willen heilen. Es kam Sophie schon länger vor, als wenn er sich bereits jetzt als ihr Pate fühlte. War Fürsorge nicht auch ein Teil von Liebe? Sicherlich glaubte er, es würde alles gut sein, wenn sie nur zusammen sein konnten. Wenn er ehrlich zusich war, hatte er sich schon lange entschieden und zwar an dem Tag, als das Fieber kam.
    Langsam ging er durch das Treppenhaus. Sophie horchte auf seine hallenden Schritte. Sie konnte sich seine Gedanken vorstellen. Anscheinend hatte er sich vorgenommen, niemanden einzuweihen, selbst seine Freunde und seine Schwester durften es nicht wissen. Denn er ahnte, sie würden nur versuchen ihn umzustimmen. Vanessa hatte jetzt Jan, sie würde zurecht kommen. Sophie fragte sich allerdings, wie Gregor Alex von einer Umsiedlung zu überzeugen versuchen würde. Leicht würde es nicht werden, denn mit Gregor würde der Mittelpunkt des Beißringes fehlen. Auch hatte Alex nicht den intensiven Kontakt zu den anderen, wie zu Gregor und damit auch nicht das Gefühl der Kontrolle über sein Vorzeigeprojekt.
    „Sophie, schläfst du?“, flüsterte seine Stimme dicht über ihrem Kopf. Er beugte sich über den hohen Tresen und berührte ihre Schulter.
    „Ach, hallo. Nur ganz kurz eingenickt, hoffe ich“, sie klang sogar etwas verschlafen.
    „Ich hab sie gefragt“, sagte er gerade heraus.
    „Du hast was? Wie hat sie es aufgenommen?“ Sie war ernsthaft verwundert, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass er es ihr erzählen würde.
    „Sie hat nicht einmal richtig zugehört. Wenn das Fieber abgeklungen ist, fährt sie nach Hause. Ist wohl besser so.“ Es hörte sich nicht sonderlich zerknirscht an, aber wer wusste das schon.
    Es war grotesk, wie er da stand. Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte sie darüber gelacht. Er trug einen Jogginganzug, den Sophie als den ihres Bruders erkannte und darüber einen altmodischen gestreiften Bademantel aus Frottee. Tatsächlich würde jeder Angestellte des Hauses denken, er wäre ein Patient.
    Es tat ihr unendlich leid, ihm nicht helfen zu können. Sie hätte ihm gerne eine Brücke geschlagen, ihm geholfen, ihr die Wahrheit zu sagen. Doch dann hätte sie zugeben müssen, dass sie gelauscht hatte.Sie erhob sich und streckte ihm beide Arme entgegen, aber er warf ihr nur den Bademantel zu und drehte sich um.
    „Das Ding hing in der Sauna. Fürchterliches Rasierwasser.“
    Fein zusammengelegt packte sie den Bademantel in die Hinterbliebenenkiste.
    Wie viel Vertrauen hatte sie erwartet oder verdient?

10. Kapitel
Vanessas Dekadentag
    Das monotone Ticken der großen Wanduhr in der Eingangshalle wurde vom rhythmischen Klappern der Stricknadeln begleitet. Vanessa wünschte sich zu ihrem morgigen Dekadentag einen pinkfarbenen, langen Schal. Er sollte mindestens dreimal um ihren Hals passen, so wie es heute, zum Leid der Blutsüchtigen, allgemein modern war.
    Noch bevor Sophie damals in die kleine Dorfschule geschickt wurde, lehrte ihre Mutter sie Stricken und Häkeln. Das war damals so üblich und kam ihr heute noch zugute. Und so nutzte Sophie die ruhige Zeit des Dienstes dazu, an ihrem Geschenk zu arbeiten. Ab und zu unterbrach sie das Geklapper, um einen Schluck Tee zu trinken oder um an der Wolle zu ziehen. Für einen Außenstehenden bot sich ein beschauliches Nachtschwester-Stillleben, aber für Sophie war es eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Beim Stricken konnte sie weder herumlaufen und aufräumen noch sich irgendwie anders ablenken. Sie musste ruhig dasitzen und sich mit ihren Problemen beschäftigen. Denn zwangsläufig flogen die Gedanken zu den Dingen, die sie bedrückten. Schon ihr Vater

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