Zwielicht über Westerland
hatte immer behauptet, dass er beim Holz hacken die besten Ideen hatte. „Tu was, dann tut sich was“, hörte sie ihn noch heute sagen.
Das Nachdenken begann mit Pellgrens Auftauchen, seither sie angespannt und rastlos geworden war und endete mit Gregor, dem es schlecht ging seit Annas Abreise. In ihrem Kopf schwirrten viele Fragen herum, die sich nicht oder kaum beantworten lassen wollten. Merkwürdigerweise hatten sie immer auch irgendwie mit Matt zu tun.
Jetzt am frühen Morgen war es zwar noch dunkel, aber die Ruhe der Nacht hatte sich auch auf Sophie übertragen. Wenn sie schon nicht alle Probleme dieser Welt lösen konnte, wollte sie wenigstens wissen, dass sie es versucht hatte. Manchmal kamen die Lösungen anschließend von alleine zu ihr. Vorerst war sie mit sich und dem Schal zufrieden. Bald würde sie alle Wolle verstrickt haben, dachte sie in dem Moment, als das Telefon klingelte.
Vielleicht war es die Uhrzeit, es war erst sechs Uhr, denn schon beim ersten Klingelton spürte sie, dass der Anruf nichts Gutes bringen würde. Betont ruhig und langsam meldete sie sich erst mit dem Klinik- und dann mit ihrem Namen.
Überrascht, denn Alex hatte sie noch nie im Dienst angerufen, hörte sie ihn sagen: „Hallo Sophie. Hör zu, ich bin am Flughafen und muss gleich …“
Eine Lautsprecheransage im Hintergrund unterbrach ihn.
„Alex, was ist denn?“
„Wir haben etwas über Pellgren herausgefunden. Er und seine Freunde sind nicht gerade angenehme Zeitgenossen. Geh bitte nicht mehr alleine aus dem Haus. Und, Sophie, sag das sofort den anderen.“
Es war keine Bitte, es war eine Anordnung. Der Ton ließ keinen Zweifel, was er sicherlich wusste, denn mit einer etwas freundlicheren Stimme setzte er nach: „Ich bin morgen Abend wieder zu Hause, wenn ihr wollt, komm ich zu euch auf die Insel.“ Ein lautes Knistern ging durch die Leitung und Sophie war sich nicht sicher, ob er sich verabschiedet hatte. Die Verbindung jedenfalls war unterbrochen.
Was hatte er gemeint? Was für Freunde?
Zumindest einer Sache war sie sich sicher; es schien sehr wichtig zu sein, ansonsten hätte Alex nicht angerufen. Und noch etwas beunruhigte sie. Pellgren hatte Matt und sie angegriffen, weil es für ihn anscheinend um eine Sache von höchster Wichtigkeit ging. Legten sich Journalisten dermaßen ins Zeug für einen medizinischenArtikel? Konnte es sein, dass Pellgren der aufgeflogene Patient war und nun fürchtete, dass Matt dies zu Forschungszwecken nutzte? Oder hatte er Angst vor Matt? Wieder einmal mehr hatte sie das Gefühl, alle Fäden des Netzes gingen von Matt aus.
Es klopfte ungeduldig an der Schiebetür. Sophie hatte vergessen, diese auf Automatik zu stellen. Drei Küchenhelferinnen der Frühschicht standen draußen und machten böse Gesichter, denn es war immer noch dunkel und sehr kalt.
Sich hastig entschuldigend öffnete sie den Dreien die Tür, die grußlos und Zähne klappernd an ihr vorbei in Richtung Küche zogen.
Pellgrens gelbe Augen hatten sie feindlich angestarrt, aber war er wirklich gewalttätig? Und war er einer von ihnen? Fröstelnd schüttelte sie die unangenehmen Gedanken ab und ließ sich auf den Stuhl hinter der Rezeption fallen. Sie hatte immer geglaubt, sie würde die ihrigen erkennen, wenn sie ihnen nur nahe genug kam, aber sicher war sie sich dessen nicht.
Die letzten Maschen abstrickend nahm sie sich vor, nach Vanessas Dekadenfrühstücksparty mit den anderen zu sprechen.
Gregor kam pünktlich, um sie abzuholen. Er sah, wie zu erwarten, schlecht aus. Zumindest duschen hätte er am 140. Dekadentag seiner Schwester können, fand Sophie, schwieg aber. Wenigstens war er heute rechtzeitig aufgestanden, das war doch schon mal was. Mit der Zeit würde er sich fangen, hoffte nicht nur sie.
Zu ihrer Überraschung saß Jan neben ihm im Wagen.
„Sie hat uns beide losgeschickt, weil wir ihr angeblich auf den Füßen stehen würden. Ich wollte ja im Bett bleiben, aber das hat sie auch genervt. Wird Zeit, dass ihr Überstundenfrei zu Ende geht.“
Sophie und ihr Bruder lachten, während Gregor so tat, als wenn er sich mächtig auf den Verkehr konzentrieren müsse. An diesem Sonntag kamen ihnen auf dem ganzen Weg zu Vanessa allerdingsnur ein Auto und eine verbissene Horde von Walkern aus der Hungerklinik entgegen.
„Du glaubst nicht“, fuhr Jan fort, „was sie alles vorbereitet hat. Davon können wir bis zu ihrem nächsten Dekadentag essen. Fang nie was mit ’ner Köchin an.“
„Hatte ich
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