Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)

Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)

Titel: Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kellison
Vom Netzwerk:
« Layla blickte erneut auf die Schere.
    Oh, Mist. Das war schlecht.
    Aus der Scherenfrau löste sich eine weitere Frau mit nackten Brüsten, aus denen Milch floss. Sie hielt eine Spindel in den Händen, glänzende Fäden wie von einer Spinne umwoben sie. »Layla Mathews, geborene Kathleen Marie O’Brien, ich habe dein Leben gesponnen.«
    Das war nicht nur schlecht, sondern richtig übel.
    »Ich habe die achtundzwanzig Jahre deines Lebens bestimmt.« Mit einem Stock in der Hand trat eine dritte, eine alte Frau, aus ihrer anderen Seite hervor. Deren Haar bestand aus einem feinen Spinnennest. Sie war faltig, ging nach vorn gebeugt und hatte knorrige alte Hände. Sie schien die Schwächste der drei zu sein. Doch dann realisierte Layla die Schatten in ihren Augen.
    Mädchen, Mutter, Greisin. Die Scherenfrau war die Anführerin.
    Layla stand nicht irgendeinem alten Schattenwesen gegenüber, sondern dem schlimmsten von allen. »Du bist das Schicksal.« Wie hatte der Schattenmann sie genannt? »Moira.«
    »Wenn ich sage, dass dein Leben vorüber ist«, erklärte die Scherenfrau, »dann ist es vorüber. Soll ich dir das ausgefranste Ende zeigen?«
    »Nein.« Layla wollte es nicht sehen.
    »Oder willst du unter meinen Rock kriechen?« Die Scherenfrau lüftete den Stoff. »Hier kannst du so lange warten wie du willst.«
    Es wirkte einladend. Ein dunkler, geschützter Ort, an dem sie sich verstecken konnte.
    Die drei Frauen schlichen wie hexenhafte Waldnymphen um sie herum. Erst wirbelten ihre Füße leuchtend bunte Blätter auf, dann graue Asche.
    Es roch nach nichts, irgendwie tot. Die Luft kühlte ab.
    Layla zitterte, hob jedoch langsam den Blick und stellte fest, dass sich die Baumkronen in die schwarzweiße Ödnis des Todes verwandelt hatten. Die knochigen Zweige breiteten sich wie riesige Risse drohend im Universum aus. Schneeweißer Staub bedeckte den Boden. Selbst die Schattenfrauen wirkten blass, die Farbkontraste verschärften sich und reduzierten sich auf hell und dunkel.
    Ein ödes Seelengrab, einst das des Schattenmanns, jetzt ihres.
    »Du willst den Schattenmann?«, fragte die Scherenfrau. »Nun, hier ist er.«
    Nein, das war der Teil, von dem er sich befreien wollte. Das blieb von ihm, nachdem er fort war. War er tot ?
    Das helle Licht brannte in ihren Augen und versengte ihre Haut wie ein Sonnenbrand. Sie spürte, wie dieser Ort ihrer Erinnerung die Farben raubte, den Stoff ihrer Träume.
    Die Schattenwesen liefen im Kreis um sie herum. Wie Raubvögel warteten sie darauf, dass sie den Verstand verlor.
    Kam nicht in Frage.
    Layla grub die Füße in die pudrige Asche und hüllte Moira in die aufwirbelnden Schwaden.
    Sie würde dieses Luder wie einen Geist überwältigen. Nach der Schere greifen. Und zustechen.
    Sie scheuchte riesige Aschewolken auf. Doch als der Staub durchsichtiger wurde, stand die Hexe plötzlich auf ihrer anderen Seite. Sie hatte den Gang um ihr Opfer ungerührt fortgesetzt.
    Layla hustete und würgte an der Asche.
    Der Versuch war missglückt. Blinde Gewalt führte zu nichts. Sie spielten mit ihr.
    Layla schützte ihre Augen mit den Händen vor dem blendenden Weiß. Wäre es etwas dunkler, könnte sie vielleicht eine Lösung finden. Mit etwas Wärme würde ihr Blut die Nerven mit neuer Energie versorgen.
    »Hier unter meinem Rock ist es dunkel«, rief Moira. »Und warm.«
    Nein, danke. Layla nahm die Hände vom Gesicht und hob das Kinn. Da unten wollte sie zuallerletzt landen.
    »Vielleicht bleibst du dann ein bisschen länger.«
    Lüge.
    »Du verblasst bereits.« Die drei lachten.
    »Nein. Ich bin noch hier.« Zum Beweis richtete sie sich auf.
    Moira legte mitleidig den Kopf schräg. »Du weißt noch nicht einmal, wie du heißt.«
    Layla blinzelte benommen und zermarterte sich das Gehirn. Ihr Herz blieb stehen.
    Moira hatte recht. Sie wusste es nicht.
    Der Schattenmann saß auf dem Beifahrersitz eines Fahrzeugs, das einer der Engel als »Hummer« bezeichnet hatte. Der Fahrer sagte, er fahre so schnell wie möglich, doch der Schattenmann konnte jeden Baum, jedes vertrocknete Blatt und jeden Grashalm zählen, zumindest kam es ihm so vor.
    So sah Machtlosigkeit aus. Qualvolle Abhängigkeit. Sehr elend.
    Ungeschickt, mit blutenden Füßen und brennendem Atem war er aus der Höhle geklettert. Am Eingang hatte man ihn mit Kleidung versorgt, obwohl ihm die Nacktheit nichts ausmachte. Er musste nach Segue. Eigentlich wäre er schon dort, doch die Schatten gehorchten ihm nicht.
    Sterblich?

Weitere Kostenlose Bücher