Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
wirkten kühl. Letzte Chance. »Wenn Sie an den Geistern Experimente durchführen, behandeln Sie sie dann wie menschliche Versuchsobjekte oder wie etwas anderes? An welche Vorschriften halten Sie sich? Ich würde die Geister, die Sie hier gefangen halten, gern sehen.«
»Wenn Sie einen Geist sehen wollen, Ms. Mathews, werden Sie sicher einem begegnen. Höchstpersönlich und aus nächster Nähe. Zum letzten Mal: Ich rate ihnen dringend, die Suche aufzugeben.«
So kam es, dass ein kleines Flugzeug aus Segue Layla zurück nach New York brachte. Ganz offensichtlich wussten sie, dass sie schon eine ganze Weile in den Wäldern gelauert hatte. Ein Mitarbeiter aus Segue war zum Gasthaus nach Middleton gefahren und hatte ihre Tasche gepackt. Als sie einstieg, befand sie sich neben ihrem Sitz. Zusammen mit ihrer Kamera.
Wie umsichtig.
Layla schaltete den Apparat ein, um die gespeicherten Bilder durchzugehen, aber es gab keine.
Doch nicht so umsichtig. Sie schaltete den Apparat aus und verstaute ihn in ihrem Rucksack.
Ihr gegenüber saß eine junge Frau, vielleicht Mitte zwanzig, die noch übler gelaunt schien als sie selbst. Sie hatte stumpfe schwarze Haare, ihr überlanger Pony hing strähnig in ihr Gesicht. Dennoch sah sie sehr hübsch aus mit ihren haselnussbraunen Augen. Ihre Miene wirkte jedoch düster und wütend.
Da sie nicht auf verbale Annäherungsversuche reagierte – In welcher Verbindung stehen Sie zum Segue Institut? Kennen Sie die Thornes? Hat es in der Nähe Angriffe durch Geister gegeben? – , legte Layla schließlich den Kopf zurück, um sich dem grässlichen, unablässigen Kat-a-kat in ihren Ohren hinzugeben.
In der Dämmerung erreichten sie eine private Landebahn irgendwo in Jersey. Ein Taxi wartete darauf, Layla in die Stadt zurückzubringen. Wirklich sehr umsichtig. Man hatte sie nicht nur aus Segue hinausgeworfen, sondern sorgte dafür, dass sie tatsächlich in ihre Wohnung zurückkehrte.
Als sie gerade zitternd vor der eiskalten, stürmischen Novembernacht in den Wagen flüchten wollte, tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter. Sie drehte sich um. Vor ihr stand die schlechtgelaunte Frau aus dem Flugzeug. Sie sah sie mit erstarrter Miene, aber überaus lebendigen Augen an. Dieser Gegensatz ließ die Frau unwirklich erscheinen, ihre Seele schien seltsam zu strahlen.
Entweder war die Frau nichtnormal, oder Layla musste wieder ihre Medizin nehmen. Sie durfte es nicht länger aufschieben.
Die Visionen quälten Layla bereits ihr ganzes Leben. Üblicherweise tauchten sie im ungünstigsten Moment auf, sodass sie sich äußerst anstrengen musste, jede Halluzination zu unterdrücken, um möglichst normal zu erscheinen. Sie wirkten so real. Ultrareal. Wie jetzt. Schwarzlicht pulsierte um den Körper der Frau. Layla konnte ihre Aura nicht nur sehen, sondern sogar spüren: Sie drückte schwer auf ihre Brust.
Layla schloss fest die Augen. Zweimal an einem Tag. Das war wirklich schlimm.
»Sie haben Adam verärgert, stimmt’s?«, fragte die Frau.
Layla öffnete die Augen. Zum Glück war der Schein ihrer Seele verschwunden, und sie antwortete: »Eindeutig.«
»Und Sie wollen herausfinden, wie es mit den Geistern angefangen hat, richtig?« Die Frau hatte sie im Flugzeug aus Segue begleitet, natürlich wusste sie über die Arbeit des Instituts Bescheid.
Layla richtete sich zu voller Größe auf. »Ja.«
Nervös blickte die Frau über ihre Schulter zu dem kleinen Flugplatz. »Die Öffentlichkeit hat überhaupt keine Ahnung. Ich meine absolut keine . Und wieso nicht? Verdammt noch mal. Weil der verfluchte Adam Thorne es so will.«
»Wovon hat die Öffentlichkeit keine Ahnung?« Auf einmal war es Layla überhaupt nicht mehr kalt.
»Ich ärgere mich, dass ich dem Mann auch noch geholfen habe. Ihm und seiner Frau. Und jetzt hält er meine Schwester gefangen.«
Das wurde ja immer besser. »Ist sie ein Geist?«
»Abigail?« Die Frau musterte Layla, als sei sie dumm oder verrückt. »Nein. Sie ist krank. Adam hat jede Menge Ärzte konsultiert. Letzte Woche sogar einen Medizinmann der Navajo-Indianer.«
Layla versuchte sie zurück zum Thema zu lenken. »Wovon soll die Öffentlichkeit seiner Meinung nach nichts erfahren?«
Doch die Frau ignorierte ihre Frage. »Versuchen Sie es am Hafen. Ich glaube, da ist er.«
»Adam?« Er befand sich in West Virginia, mitten im Landesinneren. »In welchem Hafen? Wo?«
Die Frau lächelte bitter. »Der, durch den alles angefangen hat.«
»Was angefangen?
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