Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
Verstand und deinem Körper die Grenze überquerst, wirst du ganz schnell verrückt. Wir müssen so sprechen.«
Das wollte er nicht riskieren.
»Ich werde ohnehin verrückt. Außerdem hast du mich schon ein paar Mal hindurchgebracht.«
»Ja, aber ich habe dich auch gleich wieder hinausgebracht. Ohne mich bist du hier gefangen. Die Schattenwesen machen Jagd auf dich.« Moira würde sie genau wie diese andere Frau unter ihren Röcken verbergen. »Bleib, wo du bist. Besuche mich in deinen Träumen.«
Das musste reichen.
Sie errötete und drehte den Kopf zur Seite. Wenn es irgendwie möglich wäre, hätte er durch den Schleier gegriffen und sie wie ein Mann berührt. Sie wirkte so einsam, wie sie dort allein im Zimmer stand und ihre Gedanken mit niemandem teilen konnte. In dieser Hinsicht war sie sein Spiegelbild.
»Bitte sieh nicht weg. Ich würde alles tun, um bei dir zu sein.« Sie war sein Stern in der Dunkelheit. Das Licht, das ihn durch seine pechschwarze Existenz leitete. Niemand strahlte wie sie. Nichts leuchtete wie ihre Seele. Ja, er würde alles dafür tun, er hatte bereits alles getan.
Wutentbrannt und mit funkelnden Augen drehte sie sich zu ihm um. »Ja, zum Beispiel … ein Höllentor bauen? Wer macht so etwas? Und wieso hast du überhaupt geglaubt, Kathleen wäre in der Hölle? Womit habe ich das verdient?«
»Du hast mit mir geschlafen.« Sie hatte ihn in sich aufgenommen, ihn überall umarmt. Die Erinnerung an diese Begegnung ließ seine Schatten noch immer erbeben.
»Oh Gott.« Sie strich durch ihre Haare und hielt sie auf dem Kopf zusammen.
»Bereust du es?« Diese eine Berührung. Menschlich. Lustvoll. Ekstatisch.
»Wer bist du?«
»Ich bin eine Bestie, Layla. Das Schlimmste, das du dir vorstellen kannst. Können wir es nicht dabei belassen?«
»Teufel, nein. Nicht nach gestern Nacht … nachdem wir … ich … nein.«
»Bereust du es?«, fragte er noch einmal. Sie war aufgewühlt. Ja, er spürte Reue, sie beherrschte ihre anderen Gefühle. Aber was bereute sie?
»Gut, offenbar werde ich sterben.« Sie ließ die Hand sinken, ihr Haar fiel zurück auf ihre Schultern. »Was zum Teufel soll ich mit dieser Information anfangen? Irgendwie kann ich es nicht glauben. Andererseits ich bin dem Tod ein paarmal so knapp entkommen, dass ich es auch nicht ausschließen kann.«
»Wir werden das Schicksal« – und jeden anderen auch – »so lange wie möglich herausfordern.«
»Schicksal. Quatsch. Ich bin jetzt schon tausendmal fast gestorben.«
»Layla … «
Sie drehte sich um, stieß einen Finger in Richtung Leinwand und senkte drohend die Stimme. »Da war eine Spinne.«
Khan wünschte, er könnte wie die Engel ihre Gedanken lesen, doch sie bewegten sich zu schnell.
»Und dieses Biest, diese Teufelin«, fuhr Layla fort. » Ich habe sie aus der Hölle befreit. Sie hat ein halbes Dutzend Menschen umgebracht.«
Mindestens doppelt so viel. »Ich habe das Tor gebaut. Du stehst lediglich unter seinem Einfluss. Du kannst nichts dafür.«
Diese Verantwortung übernahm er gern. Mit dem Tod kannte er sich aus. »Außerdem war dieses Leben auch für sie eine zweite Chance. Sie hätte unter euch Menschen ein friedliches, anständiges Leben führen können, aber sie hat sich anders entschieden.«
Layla machte eine ungeduldige Geste. »Ach, spar dir das. Dann gäbe es andere Probleme. Irgendetwas ist hier immer, und nie ist es etwas Gutes.« Sie biss die Zähne zusammen. »Die Frage ist: Wieso passiert es jetzt?«
Sie klang, als wüsste sie die Antwort, dennoch erwiderte Khan: »Schicksal.«
»Nein, mein Freund … « Layla sah durch den Schleier zu ihm hinüber. »Alles hat damit begonnen, dass ich dir begegnet bin.«
Er schüttelte den Kopf. »Aber unsere Begegnung war vorherbestimmt. Kurz bevor du mich getroffen hast, habe ich das Schicksal in der Straße vor dem Lagerhaus gesehen.« Moiras Schere hatte aufgeblitzt. »Sie hat uns zusammengebracht.«
»Moment.« Sie hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Das Schicksal ist eine Person?«
»Ein Schattenwesen. Moira.«
Layla verzog das Gesicht. »Und wer hat sie beauftragt, alles zu entscheiden?«
»Sie trifft keine Entscheidungen.« Genau wie der Tod nicht entschied, wann jemand die Grenze überschritt. »Sie tut nur ihre Pflicht. Es gibt kein Leben ohne Magie, ohne das Schattenreich. Sie gehört zum natürlichen Lauf des Lebens. Ihre Rolle ist genau festgelegt.« Auf die eine oder andere Weise waren alle Schattenwesen in ihrer Aufgabe
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