Zwielichtlande
ihr und sah sie streng an. »Tu, was Adam dir sagt.«
War das ein Abschied ?
»Ich verstehe nicht«, antwortete sie. Nichts ergab einen Sinn.
»Wir warten«, sagte Adam bedeutungsvoll zu Custo.
Custo ließ sie los. Plötzlich lösten er und Luca sich in ferne Farbflecken auf, bis das Licht sie ganz verschluckte.
Der Druck in Annabellas Brust wurde so stark, dass sie sich vornüberkrümmte.
»Tief einatmen.« Adam legte eine Hand auf ihren Rücken. Sie rang nach Luft. Als ihr Gleichgewichtssinn wiederkehrte, richtete sie sich auf.
»Ich sehe kein Bad«, sagte sie und versuchte die Tränen in ihren Augen zu überspielen, indem sie einen Witz machte.
»Ich glaube, wir müssen einhalten.« Adam hielt immer noch die abgewiesene Visitenkarte in der Hand. Vor Wut biss er die Zähne zusammen.
»Custo regelt das alles«, sagte sie, obwohl sie sich bei nichts mehr sicher war.
Sie hatte angenommen, er stecke ihretwegen in Schwierigkeiten, aber er hatte sie mitten in der Vorstellung alleingelassen. Ihn traf genauso viel Schuld wie sie. Abgesehen davon, dass er ein Engel war und wissen sollte, was er tat.
Er hatte auch gewusst, dass er wahrscheinlich gehen musste, und es nicht für nötig gehalten, es ihr zu sagen. Stattdessen hatte er sie in dem Glauben gelassen, sie würden den Wolf zusammen verbannen, obwohl er schon wusste, dass er Luca bitten wollte, sich darum zu kümmern.
Er hatte mit ihr geschlafen – oh, nein, sie durfte nicht darüber nachdenken. Es kam ihr zu demütigend vor.
Außerdem war es ihre eigene Schuld, dass sie mit ihm geschlafen hatte. Hatte sie tatsächlich geglaubt, er begehre sie, würde da sein, um sie zu schützen? Die Tatsache, dass er wie ein Mann aussah und sich so benahm, hatte sie vergessen lassen, dass er keiner war. Sie hatte sich von Angst und Träumen einlullen lassen.
Nachdem sie mit so vielen Enthüllungen konfrontiert worden war, musste sie sich hier und jetzt der Wahrheit stellen: Sie hatte ihn erst vor zwei Tagen kennengelernt. Er war praktisch ein Fremder und anders als sie vom normalen Lauf des Lebens abgeschnitten. Kein Mann , ein Engel. Die Demütigung hatte sie sich selbst zuzuschreiben.
Aber es war in Ordnung. Der Gedanke linderte ihren Schmerz.
Misserfolge waren wichtig; das hatte sie zur selben Zeit herausgefunden, zu der sie ihre ersten Spitzenschuhe erhalten hatte. Fehler waren der Schlüssel zum Erfolg. So hatte sie gelernt, ihr Gleichgewicht zu korrigieren und ihre Mitte zu finden, damit sie denselben Fehler das nächste Mal nicht noch einmal machte.
Die intensive Helligkeit des Turms mochte ihren Blick getrübt haben, aber jetzt sah sie ganz klar. Sie konnte oben und unten auseinanderhalten. Einen normalen Menschen von einem Engel unterscheiden und Vertrauen von Verrat.
Sie würde nicht noch einmal auf Custo hereinfallen.
12
Mit angespannten Schultern trat Custo von Annabella zurück. Er wollte sie nicht alleinlassen, vor allem nicht, wenn ihr so viele wichtige Fragen durch den Kopf gingen. Als er das letzte Mal nicht auf sie aufgepasst hatte, war Furchtbares geschehen. Und dafür trug er die Verantwortung. Er hatte den Wolf in diese Welt gebracht und geschworen, das Wesen sofort zurückzuschicken, aber bislang hatte er sie bereits zweimal fast an ihn verloren.
Allerdings war sie jetzt nicht allein. Adam war bei ihr und noch dazu in einem Turm voller Engel. Sie konnte nicht sicherer sein.
Der Raum hinter Luca, in dem eifriges Treiben herrschte, versprach ein paar interessante Informationen. Custo hatte zu Adam geblickt und dessen Gedanken gelesen, um zu sehen, was der von den schwer bewaffneten Männern hielt, die hinter ihnen den Eingang passiert hatten – war die geschwungene Klinge ein Schwert oder ein Säbel – aber Adam nahm nichts und niemand außer Luca wahr. Annabellas Gedanken kreisten immer um dieselben Fragen. Mit seinem letzten Kuss hatte er zumindest eine beantworten wollen, ihre Verwirrung aber nur noch verstärkt.
Ihre Gedanken rasten und würden unweigerlich zu Schlussfolgerungen kommen, die nicht zu seinem Vorteil waren, aber ihm blieb keine andere Wahl, als mitzugehen und den glitzernden scharfen Stahl zu untersuchen.
Als er einen Raum betrat, der wie eine elegante moderne Kommandozentrale wirkte, stieg sein Interesse schlagartig. An einer Wand hingen riesige Bildschirme, die wechselnde Bilder von Städten aus der ganzen Welt übertrugen. Über Satellitenbilder legten sich wechselnde Zahlen. Die Bildschirme auf der rechten Seite
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