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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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Richard wandte den Kopf zur Seite und stellte fest, dass sie sein Handgelenk umfasste, um seinen Puls zu fühlen.
    „Herr Gerling?“, fragte die blonde Frau. „Können Sie mich hören?“
    Woher wusste die Frau seinen Namen? Und wo war er? Im Krankenhaus?
    Im Hintergrund bellte ein Hund. Eine männliche Stimme sagte: „Still, Basti!“ und ein zweites, rotwangiges Gesicht schob sich in sein Blickfeld. Dem alten Mann war eine weiße Haarsträhne vom Schädel ins Gesicht gerutscht. Es war sein Nachbar, der mit dem Dackel. Richards Gedanken ordneten sich zäh. Der Mann war auf ihn zugekommen. Aber was war danach geschehen?
    Richard versuchte den linken Arm zu heben. Der Arm gehorchte, fühlte sich aber an, als würde er nicht zu ihm gehören.
    „Herr Gerling?“, fragte die Frau erneut. Richard richtete sich auf. Seine Umgebung schien kurz hin und her zu schwanken und hielt dann inne.
    „Es geht schon wieder“, sagte er mit schwacher Stimme. Er sah sich um. Er befand sich im Büro des Pflegedienstes. Die Liege unter ihm war nahezu identisch mit der in Dr. Buschs Behandlungszimmer. Die Frau war Marias Kollegin. Seinen Namen hatte sie wahrscheinlich von seinem Nachbarn erfahren.
    „Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte er.
    „Ein paar Minuten“, erwiderte die Frau im Kittel. Naumann, heißt sie, fiel Richard jetzt wieder ein.
    „Der Notarzt ist unterwegs“, fuhr die Frau fort.
    „Das ist nicht nötig“, begehrte Richard auf.
    „Junger Freund“, sagte sein Nachbar mit erhobener Stimme. „Als Sie eben die Augen verdrehten und umfielen, dachte ich zuerst, dass Sie den Löffel abgegeben hätten. Herzinfarkt, Hirnschlag oder so. Das sah gar nicht gut aus. Bei meinem Schwager ...“ Er verstummte, als die Sirene eines Krankenwagens jedes Geräusch übertönte.
    Zwei Sanitäter stürmten in den Laden. Marias Kollegin beschrieb die Situation mit ein paar präzisen Worten. Einer der Männer stellte seinen Notfall-Koffer auf den Schreibtisch und öffnete ihn. Er holte ein Blutdruckmessgerät hervor.
    „Haben Sie öfters solche Ohnmachtsanfälle?“, fragte sein Kollege.
    Richard schüttelte den Kopf und spürte, wie ihm durch die leichte Bewegung schwindlig wurde. „Nein“, antwortete er und wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprach, aber er hatte kein Interesse daran, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden. Dort würde man ihm bestimmt nicht helfen können, versuchte er sich einzureden und wusste doch ganz genau, dass er sich davor fürchtete, man könnte dort etwas finden, das sich nicht mit Gesprächstherapie und homöopathischen Kügelchen beheben ließ.
    Der Sanitäter stellte noch eine Reihe weiterer Fragen und trug die Antworten in seiner Checkliste ein.
    „Ich leide nur an Schlaflosigkeit“, sagte Richard und versuchte seiner Stimme einen beiläufigen Unterton zu verleihen, als sei es die harmloseste Sache der Welt auf offener Straße zusammenzubrechen.
    „Blutdruck leicht erhöht“, stellte der zweite Sanitäter fest und löste das Messgerät von Richards Arm.
    Richard richtete sich langsam auf, wie ein zittriger alter Mann. Mit aller Kraft unterdrückte er einen aufkommenden Brechreiz. Alle Anwesenden, einschließlich seines greisen Nachbarn, musterten ihn skeptisch.
    Richard lächelte in die Runde. „Na bitte, geht doch wieder.“
    Der Sanitäter hielt ihm ein Formular und einen Kugelschreiber hin. „Sie müssen unterschreiben, dass Sie auf eigenen Wunsch auf jede weitere Behandlung verzichten.“
    Richards Unterschrift sah aus wie die eines Zweitklässlers. Er gab sich große Mühe, sein sich auflösendes Lächeln beizubehalten.
    „Das war nicht besonders schlau“, sagte die blonde Frau, nachdem die Sanitäter mit ihrem Wagen davongefahren waren. „Sie sollten sich in ärztliche Behandlung begeben. Oder wollen Sie, dass wir Sie demnächst zu unseren Kunden zählen und Ihnen jeden Morgen den Mund abtupfen müssen?“
    „Es liegt einfach nur an meiner Schlaflosigkeit“, erwiderte Richard ein wenig trotzig. „Jedenfalls danke ich Ihnen für Ihre Hilfe.“ Er schüttelte ihr die Hand.
    „Danken Sie auch Ihrem Nachbarn, Herrn Sandow.“
    Herr Sandow hatte seinen Hund auf den Arm genommen und hielt ihn wie ein neugeborenes Baby. Der Bauch des Dackels war wie der Schädel seines Herrchens von weißem Flaum bedeckt, durch den die rosafarbene Haut schimmerte.
    „Ich werde Sie nach Hause begleiten“, verkündete Sandow.
    „Mein Wagen parkt gleich um die Ecke“, erwiderte Richard.
    Die

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