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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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Glasscherbe. Groß wie eine Euro-Münze. Richard zog sie mit einem Ruck aus der Wunde und mehr Blut tropfte auf den Boden.
    Richard humpelte ins Badezimmer und hinterließ auf dem Weg dorthin eine Spur aus roten Punkten. Er versuchte, auf dem linken Bein hinkend, die Schlafanzughose auszuziehen, strauchelte dabei und musste mit dem verletzten Fuß auftreten, um das Gleichgewicht zu halten. Der Schmerz ließ ihn laut aufschreien. Er hockte sich auf den Badewannenrand und wickelte sich ein Handtuch um den Fuß. Die Blutung ließ langsam nach.
    Jedenfalls war die Scherbe real, sagte er sich. Auch wenn er keine Ahnung hatte, woher sie stammte.

    Der Psychiater empfing ihn wieder in dem winzigen Behandlungszimmer. Richard lag auf der schwarzen Liege und erzählte von den Vorfällen seit seinem letzten Besuch.
    „Ein Buch nicht wiederzufinden, ist nichts Ungewöhnliches“, sagte Dr. Busch mit einer Stimme, die klang, als sei er nicht ganz bei der Sache. Das mangelnde Interesse irritierte Richard ein wenig, hatte er doch angenommen, dass Busch an seinem Fall besonders interessiert war. Schließlich hatte er ihm an diesem Samstag doch sogar einen Termin außerhalb der gewöhnlichen Praxiszeiten eingeräumt.
    „Aber was ist mit der Katze?“, stieß Richard hervor und richtete sich halb auf. Busch legte ihm die Hand auf die Brust und drückte ihn mit sanfter Gewalt zurück.
    „Das ist in der Tat gravierender“, erwiderte Busch. Er blickte Richard jetzt zwar direkt an, aber er schien immer noch ein wenig geistesabwesend. „Sie wissen, dass Katzen nicht in der Lage sind, bei Ihnen anzurufen.“
    Richard schwieg und schloss die Augen. Er hörte, wie Busch das Fenster öffnete. Kalte Luft drang in den Raum und ließ Richard frösteln. Er fand das Benehmen des Doktors unhöflich, wagte aber nicht zu protestieren.
    „Demzufolge haben Sie sich den Anruf nur eingebildet.“
    „Dann bin ich also verrückt!“ Richard spürte wie die Panik, die ihn bei dem nächtlichen Anruf beinahe das Bewusstsein geraubt hatte, zurückkehrte. Er presste eine Hand auf seinen Pullover. Er konnte das Herz darunter schlagen spüren; es hämmerte mit einer rasenden Unregelmäßigkeit, die ihm Angst machte.
    „Wir werden die Dinge gemeinsam in den Griff bekommen“, sagte Busch. „Wie schlafen Sie zurzeit?“
    Richard versuchte seine Gedanken zu ordnen. Schlaflosigkeit schien mit einem Mal sein geringstes Problem zu sein. Er driftete geradewegs auf den Wahnsinn zu. „Etwas besser“, brachte er mühsam hervor.
    „Das ist gut.“ Dr. Busch ging zum Fenster und lehnte sich hinaus. Die Praxis befand sich im Parterre. Richard erinnerte sich daran, dass die Mulde direkt neben dem Haus vorbeifloß. Jetzt konnte er den Fluss sogar hören. Ein stetiges und eiliges Plätschern. Der Regen der letzten Tage hatte seinen Pegelstand ansteigen lassen. Richard konzentrierte sich auf das Geräusch und stellte fest, dass sein Herz dadurch etwas langsamer schlug.
    „Wenn wir das Schlafpensum erhöhen, wird sich das positiv auf Ihren geistigen und körperlichen Gesamtzustand auswirken.“
    „Ich höre Katzen am Telefon“, sagte Richard und verspürte den Drang den Psychiater anzuschreien, weil er so tat, als leide sein Patient lediglich an einer leichten Grippe. „Bald werden es vielleicht die Stimmen von Menschen sein, die es gar nicht gibt.“
    Dr. Busch setzte sich wieder auf den kleinen Hocker. Richard fiel ausgerechnet in diesem Moment auf, dass sich der Psychiater nicht rasiert hatte. Blauschwarze Stoppeln umrahmten seinen Mund.
    „Schlafentzug wird im Krieg und in Diktaturen als Mittel der Folter angewandt“, sagte Busch. „Schon nach kurzer Zeit verlieren die Opfer ihren Willen, sowie jegliches Zeitgefühl und werden von Visionen geplagt.“
    „Und am Ende sterben sie dann“, stellte Richard resigniert fest.
    „Aber dazu wird es in Ihrem Fall nicht kommen. Sie befinden sich auf dem Wege der Stabilisierung. Ich werde die Dosis des Medikaments erhöhen.“
    Richard wollte ihm sagen, dass er sich von dem Zeug in die Hose machen musste, schwieg aber, weil er wollte, dass Busch Recht hatte mit der Wirkung der kleinen, weißen Pillen. Vielleicht war Schlaf wirklich die Rettung.
    „Was macht Ihr Buch? Ich frage das, weil es wichtig ist, dass Ihr Tagesablauf in normalen Bahnen abläuft. Setzen Sie sich Ziele. Vielleicht für den Anfang ein Tagespensum von drei Seiten.“
    Richard seufzte vernehmlich. „Das werde ich nicht schaffen.“
    Busch

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