Zwienacht (German Edition)
nicht den geringsten Hinweis auf deine Mission.
Das war törichtes Tun, das besser jenen zu Gesicht stand, die ich zu impfen hatte.
„Ich war eitel“, sagte ich laut und deutlich. „Ich bereue von ganzem Herzen.“
Die Stimmen meiner Kritiker verstummten. Jetzt hörte ich Gesang. Das Lied war allein mir gewidmet. Da gab es keinen Zweifel.
„Ich werde effektiver vorgehen“, versprach ich.
Die Melodie gefiel mir und ich stimmte summend in das Lied ein.
Der Nachrichtensammler
Richard wehrte sich vergeblich gegen die Gestalt. Trat nach ihr und versuchte kraftlose Schläge, die ihr Ziel verfehlten. Er spürte, wie er den Kontakt zum Boden verlor, glaubte schwerelos geworden zu sein, um dann mit seinem jetzt unendlich mühsam arbeitenden Verstand wahrzunehmen, dass ihn die massige Gestalt wie einen Sack Kartoffeln schulterte.
Sie sprach mit ihm, aber er hörte nur dumpfe, lang gezogene Laute wie von einer Schallplatte, die viel zu langsam abgespielt wurde. Sein Kopf schlenkerte hin und her, als er die Treppe hinaufgetragen wurde. Sein Sichtfeld wurde immer kleiner, bis es sich auf einen winzigen Punkt beschränkte, der plötzlich erlosch.
Richard verlor das Bewusstsein.
Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als er von einem gurgelnden Geräusch geweckt wurde, dass aus seiner eigenen Kehle drang. Er hatte sich an seiner eigenen Spucke verschluckt und bekam einen Hustenanfall. Durch den Hustenreiz war ihm das Wasser in die Augen getreten. Er öffnete sie und blickte in einen fremden Raum.
Plüschig wäre das treffende Adjektiv für dessen Einrichtung angesichts der großen, roten Sessel und der schweren Samtvorhänge mit goldenen Borten gewesen. Aber Richard fiel gar nichts ein. Sein Schädel schmerzte wie nach einer langen Nacht mit klebrigen Likören.
Durch die Vorhänge schimmerte Tageslicht. Er musste also stundenlang bewusstlos gewesen sein.
Im Hintergrund war Musik zu hören. Klassik, trotz der geringen Lautstärke mit einem exzellenten Klang.
Richard lag auf einem Sofa mit so weicher Polsterung, dass er ein wenig darin versank. Er führte eine Hand zu seiner Stirn und fühlte eine verkrustete Wunde.
Die Erinnerung kehrte unmittelbar zurück und verdrängte für den Moment sogar die pochenden Kopfschmerzen.
Er hatte sich den Kopf am Türrahmen gestoßen. Die Ratte im Flur! Das hektische Kratzen ihrer Artgenossen in der Wand!
Er versuchte aufzustehen, spürte wie ihm sofort schwindlig wurde und das fremde Zimmer vor seinen Augen verschwamm. Er gab auf und ließ sich stöhnend zurück aufs Sofa fallen.
„Immer langsam. Sie sind noch zu schwach.“
Richard kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, um besser sehen zu können. Er trug seine Brille nicht und hatte keine Ahnung, wo sie abhanden gekommen war.
Die Stimme gehörte zu einem korpulenten Mann, den er auch ohne Brille identifizieren konnte.
Jan Münzberg näherte sich und Richard staunte über die Lautlosigkeit, mit der sich sein Nachbar bewegte. Münzberg trug ein Tablett mit einer dampfenden Schüssel und einem Teller mit zwei Scheiben Toastbrot. Schüssel und Teller stellte er auf einen kleinen runden Tisch in Richards Nähe. Der Nachbar war mit einem rot-schwarzen Kimono bekleidet.
„Gemüsebrühe. Die ist leicht verdaulich“, erläuterte Münzberg, sah sorgenvoll zu Richard hinunter und setzte sich dann in einen der schweren Sessel.
Die Stimme klang völlig normal, was Richard ein wenig beruhigte. Seine Ohren waren wieder zur normalen Wahrnehmung zurückgekehrt. Richard versuchte erneut sich aufzurichten. Vorsichtiger und langsamer als beim ersten Mal. Die Muskeln schmerzten und er musste sich die Hüfte geprellt haben, aber beim zweiten Versuch hielt sich das Schwindelgefühl in Grenzen. Durch die Bewegung war die Decke mit dem Leopardenmuster, mit der ihn Münzberg zugedeckt hatte, verrutscht und Richard entdeckte, dass er nackt war. Verschämt zog er die Decke bis unters Kinn.
Jan Münzberg hob in einer Geste des Bedauerns die Schultern. „Tut mir leid. Aber ihre Kleidung war voller Blut. Außerdem haben Sie sich übergeben und in die Hose gemacht.“
Richard spürte, wie er errötete.
„Das muss Ihnen vor mir nicht peinlich sein“, sagte Münzberg. „Ich arbeite als Krankenpfleger im Altenheim.“ Der dicke Mann reichte ihm die Schüssel mit der Gemüsebrühe. „Ich frage mich allerdings, was mit Ihnen los war.“
Richard probierte die Suppe. Sie schmeckte eigentlich nur salzig. Das Gefühl der
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