Zwillingsbrut
auf die Straße einbog, die aus der Stadt hinausführte. »Es ging dir
schlecht.
«
»Wie auch immer.«
»Wie bist du nach Hause gekommen?«
»Mit Chris.«
Er war Biancas Immer-mal-wieder-Freund. »Er hat keinen Führerschein.«
»Sein Bruder Gene hat uns gefahren.«
Der Siebzehnjährige war bereits in einen Totalschaden verwickelt gewesen. Pescoli wusste alles darüber, hatte gesehen, was von dem Honda Accord, Baujahr 1990 , übrig geblieben war, nachdem dieser zunächst gegen einen Briefkasten, dann gegen einen Baum geprallt war. Es war ein Wunder, dass der Junge überlebt hatte und mit einem gebrochenen Schlüsselbein sowie ein paar Kratzern davongekommen war. »Ich bin auf dem Weg nach Hause. Wir unterhalten uns später.« Sie sah in den Rückspiegel, dann wechselte sie die Spur, um Bauarbeitern auszuweichen, die dabei waren, die Straße aufzureißen.
»Ich habe mich schon mit Dad ›unterhalten‹.«
Noch mehr gute Nachrichten.
»Und was hat dein Vater gesagt?«, fragte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Luke »Lucky« Pescoli war kaum der Inbegriff eines elterlichen Vorbilds.
»Ich solle mich ausruhen.«
Wunderbar.
»Ich bin in fünfzehn Minuten da. Jetzt hol mir deinen Bruder ans Telefon.«
»Sie will dich sprechen.« Biancas Stimme klang, als sei sie glücklich, den Hörer an Jeremy zurückgeben zu können.
Wieder überlegte Pescoli, ob sie sich doch eine anstecken sollte, aber entschied sich dagegen. Mittlerweile wichen die Geschäfte an der Straße Wohnhäusern.
»Hm?«, meldete sich ihr Sohn.
»Ich frage mich, was du daheim machst?« Als er diesen Sommer ihr kleines Haus in den Hügeln gut fünf Meilen außerhalb von Grizzly Falls verlassen hatte, war sein Auszug sowohl ein Segen als auch ein Fluch gewesen.
»Ähm … ich bin hier doch zu Hause?«
»Du bist ausgezogen. Ich hatte dich nicht darum gebeten, du selbst hast darauf bestanden«, erinnerte sie ihn. »Ich dachte, du wärst bei der Arbeit.«
»Sie haben das Gas in meiner Wohnung abgestellt. Die Heizung funktioniert nicht. Ich schätze, der Scheck ist nicht rechtzeitig angekommen, dabei hab ich ihn gestern abgeschickt. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass einer meiner Mitbewohner das Geld nicht rausgerückt hat.«
»Und dein Job?«, fragte sie geduldig.
Zögern. »Lou braucht mich heute nicht an der Tankstelle.«
»Tatsächlich?« Seit neun Monaten arbeitete Jeremy als Tankwart bei Corky’s Gas and Go, während er überlegte, ob er doch noch weiter zur Schule gehen sollte. »Jeremy?«, hakte Regan nach, als er nicht gleich antwortete. »Sag mir einfach, dass du deinen Job nicht los bist.«
»Okay.« Er klang abwehrend. Kurz angebunden.
Verdammt noch mal.
Wenn nur Joe noch am Leben wäre! Jeremys Vater, ebenfalls ein Cop, hatte in Krisensituationen stets großartig reagiert. Bis er während des Dienstes ums Leben gekommen war. Sein Sohn war noch zu jung gewesen, um sich wirklich an seinen Vater zu erinnern. Also war Pescoli dem Jungen Mutter und Vater zugleich gewesen, doch dann hatte sie den Fehler gemacht, Luke zu heiraten, der zwar versucht hatte, Joe zu vertreten, was aber komplett schiefgegangen war.
»Warte auf mich. Ich bin gleich zu Hause. Und würdest du vorher bitte dafür sorgen, dass Cisco sein Abendessen bekommt?«
»Wir haben kein Hundefutter mehr.«
»Dann kauf welches.«
»Ich, ähm, ich habe kein Geld.«
»Na fabelhaft.«
»Ich muss auflegen. Heidi hat mir gerade eine SMS geschickt.«
»Jeremy! Warte –« Doch die Verbindung war schon abgebrochen. Sie hatte nicht einmal die Chance gehabt, ihn vor Heidi Brewster zu warnen – mal wieder. Wie sehr hatte sie doch gehofft, diese Teenagerliebe wäre letztes Jahr zu Ende gegangen!
Offenbar wurden ihre Gebete niemals erhört. Aber das war ja nichts Neues. Vielleicht hatte sie einen Fehler gemacht, als sie nicht bei ihrem Freund eingezogen war, aber sie hatte diesen Schritt für unklug gehalten. Nur weil ein Mann sie im Schlafzimmer in Ekstase versetzen konnte, musste das nicht auch heißen, dass sie ihm das Etikett STIEFVATER aufkleben konnte. Sosehr sie auch meinte, in ihn verliebt zu sein – auf diese nächste Stufe wollte sie sich nicht wagen. Noch nicht.
Vielleicht war sie bindungsunfähig oder wie immer man es nennen wollte, doch sie war immerhin zweimal verheiratet gewesen, und das dürfte reichen.
Zumindest eine Zeitlang. Bis ihre Kinder erwachsen waren. Oder bis sie sich mit der Situation wohler fühlte.
Du könntest ihn
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