Zwillingsbrut
verlieren,
warnte sie ihre innere Stimme, die immer alles schlechtmachte. Nun, dann sollte es eben nicht sein.
Nach der nächsten Kreuzung hielt sie an einem Mini-Markt an und kaufte einen kleinen Sack Hundefutter, eine große Flasche Milch und zwei Snickers, die zu ihrer Schachtel Marlboro Lights ins Handschuhfach wandern würden.
Nur für alle Fälle. Dann fuhr sie weiter. Zwanzig Minuten später betrat sie ihr Häuschen durch die Garagentür. Cisco, ihr Terrier unbestimmbarer Abstammung, schoss von der Couch, sauste über den Wohnzimmerfußboden und bellte aufgeregt, dann fing er an, Pirouetten um ihre Füße zu drehen.
»He, ich freue mich auch, dich zu sehen.« Sie legte die Lebensmittel auf dem Küchentresen ab, beugte sich hinunter, tätschelte Ciscos struppiges Köpfchen und kraulte ihn hinter den Ohren. Dann richtete sie sich wieder auf und ging durch den Essbereich ins Wohnzimmer, wo ihr Sohn in seiner ganzen Länge von knapp eins neunzig auf dem Sofa lag, die Füße über dem Boden baumelnd. »Ich bin mir nicht sicher, ob das Gleiche auch für dich gilt.«
»Nette Begrüßung, Mom«, sagte er, wobei er sich nicht die Mühe machte aufzusehen, sondern weiter auf den Fernseher starrte, wo irgendeine Realityshow lief.
»Erzähl mir, was bei deiner Arbeit passiert ist.«
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen.«
Mein Gott, er sah aus wie sein Vater. Dunkles Haar, durchdringende Augen, markante Wangenknochen und ein Zwei-Tage-Bartschatten auf dem männlichen Kinn, dazu ein dunklerer Fleck, wo es ihm gelungen war, sich ein Unterlippenbärtchen zu züchten. »Hat man dich gefeuert?«
Endlich sah er auf und starrte sie an, als wäre sie begriffsstutzig. »Sie haben mir nur meine Stunden gekürzt, das ist alles.«
»Das wird es schwierig machen, die Miete oder die Gasrechnung zu bezahlen.«
Er zuckte die Achseln. Wie gerne hätte sie ihm erklärt, welche Konsequenzen sein nachlässiger Lebensstil nach sich ziehen würde, doch Jerry hatte schon immer zu der Sorte Kinder gezählt, die am ehesten aus Erfahrung lernte. Dass man ihm das Gas abgestellt hatte, würde ihm eine Lektion sein.
Sie klopfte ihm auf die Schulter. »Ich
bin
froh, dass du da bist; ich wünschte mir nur, du wärst hergekommen, um mich zu sehen und nicht, weil du dir in deinem Apartment den Hintern abfrierst.«
»Ja«, sagte er schließlich. »Ich weiß.«
»Ich werde mal nach deiner Schwester schauen.« Noch ein Schulterklopfen. »Könntest du bitte Cisco etwas zu fressen geben? Das Hundefutter ist in der Einkaufstüte.«
»Ja.« Er rührte sich nicht.
»Wenn es geht, noch in diesem Jahrhundert.«
»Sehr komisch«, erwiderte er, doch immerhin brachte er ein schiefes Grinsen zustande, das einen umwerfen konnte. Genau wie sein Vater. Kein Wunder, dass Heidi Brewster außer Rand und Band war.
Endlich rappelte sich Jeremy hoch. »Dann komm schon, du Winzling«, sagte er, an den Hund gewandt, während Pescoli den kurzen Flur hinunterging und an Biancas Zimmertür klopfte, bevor sie das Chaos betrat. Während in Jeremys ehemaligem Schlafzimmer im Untergeschoss Poster von Basketballspielern und Rockbands hingen, war Biancas Reich der Inbegriff eines Mädchentraums, angefangen bei einem Himmelbett, das sie mit Weihnachtslichtern dekoriert hatte, bis hin zu einem Schminktisch mit beleuchtetem Spiegel, auf dem mindestens zehn Bürsten und Pinsel in einem Behälter neben Körben voller Lippenstift, Lidschatten und Gott weiß was standen. Die Wände waren knallpink gestrichen – ihre Lieblingsfarbe.
Bianca hatte sich im Bett zusammengerollt, eine silberglänzende Bettdecke über sich, eine Flasche kalorienarme Pepsi auf dem Nachttisch, daneben ein Stapel Teeny- und Modemagazine, einige davon aufgeschlagen auf dem Bett verstreut. Sie tippte Textnachrichten in ihr Handy, während auf ihrem Laptop irgendein Film lief.
»Also, was war los?«, fragte Pescoli, als ihre Tochter kurz aufblickte und ihr ein süßes, unschuldiges Lächeln schenkte. Rotblonde Locken umrahmten ihr Gesicht mit den kaum sichtbaren Sommersprossen auf dem Nasenrücken und den großen, haselnussbraunen Augen. Während ihr Bruder das Ebenbild von Joe Strand war, ähnelte Bianca ihrem eigenen Vater, Luke Pescoli. Zum Glück schien Bianca sehr viel intelligenter als dieser zu sein – nun, zumindest hatte sie das bis zum letzten Jahr angenommen.
»Wie meinst du das?«, fragte Bianca unschuldig.
»Jetzt stell dich nicht dumm. Du weißt genau, wovon ich rede. Warum hast du den
Weitere Kostenlose Bücher