Zwillingsbrut
Reagenzglas-Kinder auslöscht? Womöglich genau die meines Vaters?«
»Clarissa!«, sagte Gerald mit zusammengebissenen Zähnen.
Noch bevor Kacey antworten konnte, wurde die Tür zum Sitzungszimmer aufgestoßen, und Thane, der noch fehlende Sohn, kam hereingeschlendert. Er war gebaut wie Judd, nur nicht ganz so groß und, seiner Körpersprache nach zu urteilen, weitaus entspannter. »Tut mir leid, dass ich zu spät bin«, verkündete er leichthin und setzte sich auf einen Stuhl am Fußende des Tisches, seinem Vater gegenüber. »Du musst Acacia sein«, sagte er, als er Kacey entdeckte.
»Ich werde Kacey genannt«, erwiderte diese.
»Dann eben Kacey.«
»Sie ist die Tochter von Maribelle Collins und Dad«, erklärte Clarissa.
Thane zuckte die Achseln. »Das hast du mir bereits auf Band gesprochen.«
»Nun, da ist noch mehr.« Wieder bedachte Johnsons Erstgeborene Kacey mit einem durchdringenden Blick. »Sie vertritt die aberwitzige Theorie, dass Dad, der – wie sich gerade eben herausgestellt hat – früher als Samenspender tätig war, eine ganze Horde von ›Kindern‹ hat« – ihre manikürten Hände mit den roten Fingernägeln malten Anführungszeichen in die Luft –, »die nach irgendeinem teuflischen Muster ermordet werden. Warum sie, Acacia, sich berufen fühlt, uns diese Theorie zu übermitteln, ist ein großes Geheimnis und gleichzeitig Grund für diese Familienkonferenz.«
»Ach, tatsächlich?« Ein amüsiertes Lächeln umspielte Thanes schmale Lippen. Er trug Jeans und Pullover, sein Haar war nass vom schmelzenden Schnee, und er machte sich nicht die Mühe zu verbergen, dass er die Situation eher lächerlich fand.
»Im Grunde, ja«, schaltete sich Kacey ein. »Die Fotos auf dem Tisch zeigen Frauen, die aller Wahrscheinlichkeit nach von Gerald gezeugt wurden. Sie alle sind kürzlich ums Leben gekommen; vermutlich wurden sie ermordet.«
»Die da kenne ich!«, rief Thane plötzlich und deutete auf Shelly Bonaventure. »Ich hab sie vor Jahren mal in einem Film gesehen.«
»Du und höchstens ein weiterer Mensch auf dieser Erde«, schnappte Clarissa.
Thane runzelte die Stirn. »Ich dachte, sie hätte Selbstmord begangen.«
»So lautet die offizielle Version«, sagte Kacey.
»Dann stimmt die offizielle Version also nicht?«, fragte Judd nach. »Behauptet das die Polizei?«
»Nicht die Polizei von L.A., aber das Büro des Sheriffs von Pinewood County. Diese Frauen« – sie deutete auf die Aufnahmen von Elle Alexander und Jocelyn Wallis – »stammen aus der Gegend. Jocelyn und Shelly sind in Helena geboren worden, bei Elle überprüfe ich das noch.«
»Nur weil sich manche Menschen ähnlich sehen, heißt das noch lange nicht, dass sie miteinander verwandt sind«, gab Cam zu bedenken.
»Hat die Polizei die Todesfälle in Zusammenhang gebracht? Geht man dort von Mord aus?«, wollte Judd wissen.
»Das bezweifle ich«, sagte Robert. »Hätte die Polizei die Schlüsse gezogen, die
sie
gezogen hat«, er blickte zu Kacey hinüber, »wäre sie längst hier.« Kacey sah den Hass in seinen Augen. Offenbar war sie in ein Terrain eingedrungen, das er für sich beanspruchte, und das gefiel Robert Lindley gar nicht.
Genauso wenig wie den anderen.
Die Diskussion heizte sich auf, Geralds Kinder gaben sich skeptisch. In erster Linie waren sie misstrauisch, nahm sie an, weil sie davon ausgingen, dass Kacey irgendwelche Forderungen an sie stellen würde. Während sich Clarissa offen feindselig zeigte und Cameron beißende Kommentare abgab, wirkte Judd ernst. Er war derjenige, der ihr zuhörte und ihr pointierte Fragen stellte. Wenngleich auch er misstrauisch war, hielt er sich anders als seine Schwester und Robert Lindley mit Vorurteilen zurück.
Thane sagte nicht viel, stattdessen verfolgte er ruhig den mitunter hochexplosiven Schlagabtausch. Ab und zu zuckte einer seiner Mundwinkel in die Höhe, doch auch hinter seiner gelassenen Fassade bemerkte Kacey Zweifel.
Robert machte sich weiterhin Luft. »Das ist eine lächerliche Vorstellung«, sagte er scharf und bedachte sie mit einem eisigen Blick. »Woher sollte der mutmaßliche Mörder wissen, dass diese Frauen mit Geralds Samenspende gezeugt wurden? Ohne ein DNS -Profil oder vertrauliche Informationen aus der Klinik wüsste er doch gar nicht, wen er als Opfer wählen sollte!«
»Viel wichtiger ist doch die Frage:
Warum?
«, wandte Judd ein.
Jetzt ergriff Gerald das Wort. »Die Klinik ist seit Jahren geschlossen. Wer weiß, was mit den Akten geschehen
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