Zwillingsbrut
am nächsten gewesen, und sie hatte ihren Jeep auf dem Parkplatz abgestellt und sich die Viertelmeile zum vermeintlichen Unfallort auf Schneeschuhen durchgekämpft.
Das Team von der Spurensicherung war ebenfalls eingetroffen und durchkämmte die Gegend nach möglichen Spuren und Hinweisen, doch Pescoli vermutete, dass es nicht viel finden würde. Die Tatwaffe war der Baum; auf einem besonders heimtückisch gezackten Aststumpf etwa auf Augenhöhe waren deutliche Blutspuren zu erkennen.
Es könnte in der Tat ein Unfall gewesen sein. Eine unachtsame oder von der Spur abgekommene Skifahrerin, die die Kontrolle über ihre Ski verloren hatte. Doch Pescoli glaubte keine Sekunde daran. Sie ging davon aus, dass die tote Frau, die nun in die Leichenhalle gebracht wurde, ebenfalls dem Killer zum Opfer gefallen war, der einen blutigen Rachefeldzug gegen die Sprösslinge von Samenspender 727 führte, wer immer das sein mochte.
Nein, der Mörder verfolgte noch präzisere Absichten. Bislang waren sämtliche Opfer Frauen gewesen. Elle Alexanders Bruder Bruce war laut Aussage der Eltern wohlauf.
Ein Versehen?
Mit Sicherheit nicht.
Sie stapfte mit ihren Schneeschuhen zurück zum Parkplatz, setzte sich in den Jeep, um auf den Abschleppwagen zu warten, der Karalee Riersons Honda in die Werkstatt des kriminaltechnischen Labors bringen sollte, und rief per Handy Alvarez an. Als ihre Partnerin nicht dranging, hinterließ sie ihr eine kurze Nachricht: »Ich glaube, wir haben hier ein weiteres Opfer.«
Der Abschleppwagen kam, und sie sah zu, wie der zugeschneite Honda auf die Ladefläche gezogen wurde.
Ein weiterer »Unfall« und eine weitere tote Frau.
Die vermutlich mit dem guten alten Mr. 727 verwandt war.
Nur der Himmel wusste, was das bedeutete.
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Kapitel 32
V ergiftet?
Sie war vergiftet worden und hatte es nicht mal bemerkt?
Trace an ihrer Seite, saß Kacey auf einem Klappstuhl im Befragungsraum im Büro des Sheriffs und hörte Alvarez zu, die ihr gegenüber an dem zerschrammten Tisch saß und schilderte, wie sie das Arsen in Jocelyn Wallis’ Kaffeepulver gefunden hatten. Kacey dachte an ihre eigenen Symptome. Nie im Leben wäre sie darauf gekommen, dass sie von einer Vergiftung herrührten! Sie war Ärztin, ihr wäre doch sicher aufgefallen, wenn die Beschwerden auffälliger, die Schmerzen stärker geworden wären. Trotzdem …
Jetzt machte es Sinn.
Die Befragung dauerte bereits über eine Stunde. Nachdem Detective Alvarez sie ermahnt hatte, sich aus den Ermittlungen rauszuhalten, ging sie nun streng nach den Vorschriften vor.
Obwohl sich Trace alle Mühe gab, entspannt zu wirken, entging ihr nicht, dass er nervös war; Kinn und Wangen unter dem dunklen Bartschatten waren angespannt, die Lippen schmal, seine Augen blickten ernst drein. Während des Gesprächs war er zweimal hinausgegangen, um Tilly anzurufen und sich zu erkundigen, wie es seinem Sohn ging. Obwohl er im Grunde gar nicht hier sein musste und Kacey ihn bereits aufgefordert hatte, nach Hause zu gehen, war er geblieben.
Alvarez hatte sich Kaceys Theorie bezüglich der toten Reagenzglas-Frauen bislang zweimal unterbreiten lassen: einmal in ihrem Wagen vor Kaceys Haus und jetzt ein zweites Mal. Als ihre Partnerin, Detective Pescoli, eintraf, brachte Alvarez sie schnell auf den neuesten Stand.
»Gerald Johnson«, wiederholte Pescoli kopfschüttelnd. »Dann stammt diese hier also auch von ihm ab?« Sie legte die Fotos auf den Tisch, Ausdrucke einer Digitalkamera. Kacey fuhr zurück, nicht so sehr wegen der Verletzungen – sie hatte während ihres Studiums und in der Klinik Schlimmeres zu Gesicht bekommen –, sondern weil sie augenblicklich die auffällige Ähnlichkeit bemerkte. Das Haar des Opfers, das unter einer blutverkrusteten Kapuze hervorschaute, war von einem tiefen Kastanienbraun, genau wie ihres. Ein Auge war geöffnet, die Pupille starr, die Iris nicht ganz so grün wie ihre und längst nicht so blau wie die der ehelichen Johnson-Kinder, aber definitiv im Farbspektrum aller Opfer.
Wäre ihr Gesicht nicht derart zerschmettert gewesen, hätte auch diese Frau glatt als Kaceys Schwester durchgehen können.
Was diese, dachte sie traurig, vermutlich auch war.
»Sie kennen sie?«, fragte Alvarez.
Kacey schüttelte den Kopf. »Ich habe sie noch nie im Leben gesehen.«
»Ich habe mit ihm gesprochen.« Alvarez deutete mit dem Kinn Richtung Trace, den sie nicht aus den Augen ließ.
Der Rancher hatte die Zähne aufeinandergepresst, an seinem
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