Zwillingsbrut
Konservativere, Regelkonformere von beiden, und – wie sie einem Bericht über ihn entnehmen konnte – er war von einer Frau geschieden, die nach Portland gezogen war. Kinder hatte er keine.
Thane war ihr – genau wie Gerald – ein Rätsel. Ebenfalls still. Freundlicher als die anderen, leicht amüsiert. Das schwarze Schaf der Familie, das nicht ganz ausgebrochen war. Ein Einzelgänger, aber eben doch nicht. Derjenige, der nicht unter der Fuchtel seines Vaters stand. Zumindest nicht komplett. Nie verheiratet. Von ihren Halbgeschwistern derjenige, mit dem sie am ehesten reden könnte. Der am wenigsten Reservierte. Sie machte sich eine Notiz.
Bei den Zwillingen wusste sie überhaupt nicht, woran sie war. Cameron hatte sich während des Meetings mehrmals das Haar glatt gestrichen und war ihr mit offener Feindseligkeit begegnet. Colt allerdings hatte sie auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Das Lächeln, mit dem er sie bedacht hatte, war kalt gewesen, als hätte er sich über einen Scherz auf ihre Kosten amüsiert. Oder hatte sie sich das eingebildet?
Keiner der Zwillinge hatte je geheiratet, zumindest wusste sie von keiner Ehe, aber sie wusste ohnehin sehr wenig über die beiden, nur dass sie im Vertrieb für die Firma ihres Vaters arbeiteten und dass sie ihre Aufgaben durch ganz Amerika bis nach Kanada führten.
War es möglich, dass sie die Täter waren? Vielleicht arbeiteten sie zusammen? Einer verschaffte dem anderen ein Alibi, während sie quer durchs Land flogen. Konnten die zwei so pervers, so abgedreht sein?
»Unwahrscheinlich«, murmelte sie, doch sie nahm sich vor, noch ein wenig tiefer zu graben, einen Weg zu finden, ihre Geschäftsreisen zu überprüfen und herauszufinden, ob ihre Routen mit anderen unglückseligen »Unfällen« von Gerald Johnsons Reagenzglas-Töchtern übereinstimmten.
»Das ist doch Unsinn«, redete sie sich ein und konzentrierte sich auf Robert Lindley, den Außenseiter, der aus einer weiteren außerehelichen Liaison des berühmten Herzchirurgen hervorgegangen war. Er war älter als sie und hatte offenbar ebenfalls nie geheiratet. Auch Robert war ihr gegenüber feindlich aufgetreten; sie hatte sein Misstrauen gespürt, gleich nachdem er das Sitzungszimmer betreten hatte.
Fühlte er sich immer noch als Randfigur, obwohl er offiziell Teil der Familie war, zumindest, was die Firma anbelangte?
Doch Gerald Johnsons Kinder waren nicht komplett versammelt gewesen: Zwei seiner drei Töchter fehlten – ums Leben gekommen bei verschiedenen Unglücksfällen, Aggie als Kind, Kathleen kurz vor ihrer Hochzeit.
Was hatte das nur zu bedeuten?
Unfälle.
Augenscheinlich fielen fast alle weiblichen Nachkommen von Gerald Johnson Unfällen zum Opfer.
Außer Clarissa. Sie hat überlebt. Die rechte Hand ihres Vaters. Was für einen Sinn machte das?
»Gar keinen«, sagte Kacey laut. Der Wind peitschte ums Haus, das Licht flackerte erneut. Kaceys Haut kribbelte, und sie musste das Gefühl niederkämpfen, dass da draußen jemand oder etwas lauerte, etwas Böses, Hinterhältiges, das nur darauf wartete, endlich zuzuschlagen.
Was für ein höllischer Sturm! Er rüttelte an den alten Blendläden, pfiff durch die Dachbalken der Scheune und machte die Rinder nervös. Auch die Hunde waren angespannt und jaulten. Bonzi, so tough er auch aussah, erwies sich als echter Hasenfuß.
»Es ist ja bald vorbei«, beruhigte Trace die Tiere, »wir sind hier drinnen in Sicherheit.«
Aber Bonzi kniff den Schwanz ein, als ein weiterer Windstoß um die Scheune fuhr. Trace beachtete ihn nicht weiter und fing an, freiliegende Leitungsrohre zu umwickeln, die einzufrieren und dann zu platzen drohten. Das würde einige Zeit in Anspruch nehmen, aber er wollte sichergehen, dass die Rinder weiterhin Wasser bekamen.
Das Licht flackerte einmal, dann noch einmal …
Na prima,
dachte er, und er hatte noch nicht mal einen Pfad zu den Pferden einen Stall weiter freigeschaufelt. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein Stromausfall.
Bonzi hockte sich hin und winselte, doch Trace fuhr damit fort, die Rohre zu isolieren, dann wollte er sich auf den Weg zum Pferdestall machen.
Jetzt war jeder für sich. Perfekt.
Aus seinem Versteck blickte er mit seinem Nachtsichtgerät über die verschneite Landschaft zum Haus. Die alten Leute waren bereits aufgebrochen. Er beobachtete Trace O’Halleran, der mit beiden Hunden im Schlepptau zur Scheune stapfte. Acacia war allein im Haus, von dem Kind einmal
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