Zwillingsbrut
Sattelschlepper über den Highway.
Danach folgten weitere Nachrichten, und ein Foto von Elle Alexander erschien auf der Bildfläche. »Das Büro des Sheriffs von Pinewood County bittet um Ihre Mithilfe bei der Aufklärung eines tödlichen Unfalls auf der Straße nach River Falls«, sagte eine Nachrichtensprecherin. Der entsprechende Straßenabschnitt wurde eingeblendet, direkt vor der North Fork Bridge, wo Blumen und Kerzen im Schnee die Stelle markierten, an der Elle Alexander ihr Leben gelassen hatte. »Da die Polizei Fremdeinwirkung nicht ausschließt, werden Zeugen gesucht, die den Unfall beobachtet und eventuell ein Fahrzeug bemerkt haben, welches den Dodge Minivan von der Straße in den Grizzly River gestoßen haben könnte.«
Dem folgte ein Bericht über den Tod einer »einsamen Langläuferin«, deren Name noch nicht bekanntgegeben wurde, da man die nächsten Angehörigen noch nicht informiert hatte.
Sie holte tief Luft, dann stellte sie den Ton ab und lauschte auf den Sturm, der draußen tobte. Der Wind heulte, ein Ast schlug dumpf gegen eine Hauswand. Kacey blickte auf die Uhr und stellte fest, dass Trace vor fast einer halben Stunde hinausgegangen war. Er müsste eigentlich bald zurück sein. Sie ging in die Küche, blickte aus dem Fenster und versuchte, sich zu entspannen. Ihre Augen suchten dem freigeschaufelten Pfad zu den Nebengebäuden ab.
Ein weiterer schmaler Trampelpfad führte um das Haus herum und war schon fast wieder zugeschneit.
Seltsam.
Nun, Tilly und Ed hatten sich um Eli und Sarge gekümmert. Vielleicht war einer von ihnen mit dem Hund kurz draußen gewesen …? Wohl eher Tilly, denn der Pfad war sehr schmal und konnte kaum von Eds Stiefeln Größe sechsundvierzig stammen.
Vielleicht täuschte sie sich auch, und der viele Neuschnee verwischte die Spuren.
Hm.
Sie ermahnte sich, sich keine Sorgen zu machen, nicht an die Unfälle, ihr verwanztes Haus oder an das Gift zu denken, das man ihr vermutlich in den Kaffee gemischt hatte. Hier war sie in Sicherheit. Bei Trace.
Trotzdem hatte sie Angst, ein Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. »Das ist nur die neue Umgebung«, flüsterte sie und wünschte sich, einer der Hunde wäre bei ihr und Eli im Haus geblieben. Sie warf einen letzten Blick auf den immer weniger zu erkennenden Trampelpfad, dann kehrte sie ins Wohnzimmer ans brennende Kaminfeuer zurück. Ihr Unbehagen schwand ein wenig. Sie nahm ein Scheit aus dem Feuerholzstapel, legte es auf und machte es sich wieder auf dem Sofa gemütlich. Dann klappte sie ihren Laptop auf und stellte weitere Nachforschungen über Gerald Johnson, seine Firma und seine Familie an.
Dein Vater. Deine Halbgeschwister. Deine Familie.
»Nie im Leben«, sagte sie laut. In diesem Augenblick flackerte das Licht. Ein Ast donnerte so heftig gegen eine Außenwand, als wolle er gewaltsam ins Haus eindringen.
Wieder schaute sie auf die Uhr und wünschte sich, Trace würde endlich zurückkommen. Die Geräuschkulisse, hervorgerufen durch den Sturm, war unheimlich: Balken knackten, das alte Haus ächzte und stöhnte, draußen rieben quietschend und knarzend Äste gegeneinander.
Dir gehen die Nerven durch,
sagte sie sich und unterdrückte eine aufsteigende Panikattacke. Um sich abzulenken, googelte sie sämtliche Mitglieder der Johnson-Familie und rief sich ihre persönlichen Eindrücke von Gerald und seinen Kindern ins Gedächtnis.
Ihr Vater war ihr ein Rätsel. Stark. Klug. Gebildet. Knallhart. Ein Mann, der Probleme löste und Widrigkeiten entgegentrat.
Skrupellos?
Wahrscheinlich.
Clarissa, seine Erstgeborene, war leichter zu durchschauen, zumindest schien das auf den ersten Blick so. Unerschrocken und arrogant, aggressiv und offenbar ziemlich gehässig, war sie verheiratet mit Lance, der Kacey an den nordischen Donnergott Thor erinnerte. Die beiden passten zueinander: Beiden schien jegliche Wärme, jeglicher Sinn für Humor abzugehen, und trotzdem hatten sie Kinder. Kacey hatte Mühe, sich jemand weniger Mütterliches als Clarissa Johnson Werner vorzustellen, aber sie hatte sie schließlich nur aufgeregt erlebt. Vermutlich verbargen sich hinter Clarissas bissigem Auftreten andere, tiefer gehende Gefühle.
Dann war da Judd, der Nächste in der Reihe, ruhiger, aber genau der Typ Mensch, bei dem einem unwillkürlich das alte Sprichwort »Stille Wasser sind tief« in den Sinn kam. Wer wusste schon, was er dachte oder wozu er fähig war? Er war Anwalt, genau wie Thane, aber Judd war definitiv der
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