Zwillingsbrut
Alvarez drückte mit dem behandschuhten Zeigefinger auf die Klingel, die Tür schwang auf, und Gerald Johnson, in voller Lebensgröße, energischer und sportlicher noch als auf den Fotos, die sie von ihm gesehen hatten, begrüßte sie.
»Officers«, sagte er, »Floyd hat mich vom Pförtnerhaus aus angerufen und mir mitgeteilt, dass Sie auf dem Weg zu mir sind.« Er trat zurück und gab die Tür frei. »Kommen Sie rein. Seit Acacia heute Nachmittag mein Büro verlassen hat, habe ich mit Ihrem Erscheinen gerechnet.«
Johnson führte Pescoli und Alvarez in eine geräumige Diele. Eine breite Holztreppe führte hinauf zu den oberen Räumlichkeiten.
»Möchten Sie ablegen, Officers?«, fragte er, doch die beiden verneinten.
»Wir möchten nicht unnötig Ihre Zeit in Anspruch nehmen«, sagte Alvarez höflich, »deshalb sollten wir besser gleich auf den Punkt kommen.«
Pescoli nickte und sah sich in der Diele um. Gerade wollte sie den Mund öffnen, um ihn nach der Klinik zu fragen, bei der er als Samenspender tätig gewesen war, als eine Frau – seine Ehefrau, wie sie sich von den Fotos erinnerte – auf dem oberen Treppenabsatz erschien und geschwind die breite Treppe hinuntereilte.
»Sag ihnen nichts, Gerald! Ich habe keine Ahnung, was diese Leute von dir wollen, aber sag ihnen nichts!«
»Wir sind hier, weil in jüngster Zeit mehrere Frauen ermordet wurden, was man zunächst für Unfälle hielt. Sie haben bestimmt in den Nachrichten davon gehört«, teilte Alvarez ihr mit und zog einen Umschlag mit Fotos aus der Tasche.
»Ist das etwa die Schauspielerin aus dieser fürchterlichen Vampirserie?«, fragte Noreen Johnson ungläubig, als sie ihr das entsprechende Bild unter die Nase hielt.
Die Beamtinnen nickten.
»Es gibt noch ein weiteres Opfer«, schaltete sich Pescoli ein. »Eine hier in der Nähe lebende Frau namens Karalee Rierson.«
»Karalee!«, rief Noreen erschrocken und schlug eine Hand vor den Mund.
»Sie kennen sie?«, fragte Alvarez.
»Natürlich kenne ich sie.«
Alvarez reichte Noreen die Fotos, die einen Blick darauf warf und sich offenbar alle Mühe geben musste, sich nicht zu übergeben. »O Gott! Sie war Krankenschwester an einer Klinik, an der Gerald …« Sie fuhr zu ihrem Mann herum, der das Gesicht zu einer grimmigen Grimasse verzogen hatte.
»Wir nehmen an, dass diese Frauen alle ermordet wurden, auch wenn es jedesmal so aussehen sollte, als seien sie einem Unfall zum Opfer gefallen«, erklärte Alvarez.
»Mord?«, wiederholte Noreen. »Aber was haben wir damit zu tun? Ich … ich kenne die anderen Frauen nicht. Nur Karalee.«
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass sie alle von Mr. Johnson gezeugt wurden.«
»Wie bitte?«
Noreen schlenkerte nervös mit den Händen. »Das ist doch verrückt! Gerald, sprich nicht mit diesen Leuten!«
Alvarez betrachtete das Gesicht der Frau, auf dem sich eine Mischung von Gefühlen, angefangen bei Nicht-wahrhaben-Wollen über Verzweiflung bis hin zu Zorn spiegelte. Noreen Johnson, bekleidet mit einer Designerjeans und einem silbernen Strickpulli, der ihr bis über die Hüften reichte, war spindeldürr, fast knochig; die kostbaren Diamanten an ihrem Hals, den Handgelenken und Fingern betonten die Knochen und Sehnen, die deutlich unter ihrer gebräunten Haut hervortraten. Ihr weißes Haar war jungenhaft geschnitten, die Gesichtshaut straff wie bei einer Trommel, das Make-up zu dick aufgetragen.
»Wir kennen diese Frauen nicht! Ich habe kaum ein Wort mit dieser Karalee gewechselt! Gerald, im Ernst!« Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf und sagte, an die Detectives gewandt: »Wir werden nur in Gegenwart eines Anwalts mit Ihnen reden. Ich kenne meine Rechte.« Sie zog ein Handy aus ihrer Jeanstasche und tippte eine Kurzwahltaste. »Ich rufe jetzt Judd an«, erklärte sie und hob mahnend den Zeigefinger in Richtung ihres Mannes. »Kein einziges Wort mehr.«
Er spreizte die Finger. »Niemand beschuldigt mich eines Verbrechens.«
»Darauf gebe ich gar nichts. Die Polizei ist ausgebufft. Ich habe
Law & Order
gesehen!« Sie hielt sich das Handy ans Ohr. »Ach, verflixt!« Als sie den Blick ihres Gatten bemerkte, fügte sie hinzu: »Judd geht nicht dran!« Den Blick zur Decke gerichtet, hinterließ sie eine Nachricht: »Judd? Hier spricht deine Mutter. Ruf mich sofort zurück. Es handelt sich um einen Notfall.«
»Um Himmels willen, Noreen! Er wird denken, ich sei im Krankenhaus!«, protestierte Gerald.
»Na und?« Sie drückte eine weitere
Weitere Kostenlose Bücher