Zwillingsbrut
gehen sie deshalb nicht ans Telefon«, vermutete Gerald. »Ich habe ihnen gesagt, ich würde heute Abend mit dir reden.« Er blickte auf sein halb leeres Scotchglas. »Ich hatte nur noch nicht den Mut dazu.«
»Seltsam, wie leicht es dir fällt, eine ganze Armee von Kindern zu zeugen, obwohl du noch nicht mal genug Rückgrat hast, mit deiner Frau zu reden!«, stieß Noreen hervor.
»Jetzt hör doch einfach mal zu«, sagte er und seufzte schwer.
Noreen verschränkte die Arme unter ihren kleinen Brüsten und schob herausfordernd das Kinn vor, doch sie hielt sich von nun an zurück und ließ ihn reden. Johnson gestand den Detectives, von Acacias Existenz gewusst zu haben, und er räumte ein, als Samenspender tätig gewesen zu sein.
»Es war Ihnen also klar, was Ihr Mann mit der Fertilitätsklinik zu tun hatte?«, fragte Pescoli Noreen.
»Das war doch Schnee von gestern«, wiegelte diese ab. »Ja, ich wusste davon, dass Gerald …« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber das war etwas anderes. Klinisches. Gefühle spielten da keine Rolle. Bei einer Affäre dagegen, bei der man auch noch Kinder in die Welt setzt …« Wieder begannen ihre Tränen zu fließen. Sie zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Wimperntusche von den Wangen. »Ich verstehe das nicht. Außerdem erklärt es noch längst nicht, warum Sie hier sind. Selbst wenn … selbst wenn er diese Frauen ›gezeugt‹ hat. Wie haben Sie eigentlich davon erfahren?«
»Es ist das, was die Opfer in einen Zusammenhang stellt«, erklärte Pescoli.
»Die Opfer?« Noreen war hin- und hergerissen zwischen Entsetzen und Ungläubigkeit. »O Gott! Warum diese Frauen? Warum jetzt? Und was hat das mit ihm zu tun?«
»Genau das wollen wir herausfinden«, sagte Alvarez.
Beruhige dich,
ermahnte sich Kacey.
Eli muss einfach da sein.
»Eli!«, rief sie wieder, lauter diesmal. »Eli, mein Schatz, wo bist du?«
Mit rasendem Herzen durchsuchte Kacey das Haus noch einmal von oben bis unten. Die Taschenlampe wurde immer schwächer. Langsam arbeitete sie sich von Zimmer zu Zimmer vor, leuchtete voller Panik unter Betten, in Kleiderschränke und sogar – Gott bewahre – den Wäscheschacht in den Keller hinunter. Dabei rief sie immer wieder Elis Namen. Ihr Puls dröhnte ihr in den Ohren.
Nach wie vor keine Spur von dem Jungen.
»Nun sag schon, Eli, wo steckst du?«
Im Haus wurde es von Minute zu Minute kälter. Noch einmal durchkämmte sie das Obergeschoss. Plötzlich bemerkte sie, dass im dritten, unbenutzten Schlafzimmer das Fenster einen Spaltbreit offen stand; kalte Luft zog herein. Sie versuchte, es zu schließen, aber es schnappte nicht ein.
Mit ihrem ganzen Gewicht stemmte sie sich dagegen, da hörte sie auf einmal …
was?
Sie hielt die Luft an und lauschte. Ihre Kopfhaut kribbelte.
Noch ein Geräusch. Von unten! Schritte?
»Eli!« Sie rannte hinaus auf den Flur, wobei sie sich das Knie an einer alten Zedernholztruhe stieß, und flog förmlich die Treppe hinunter. Der Strahl der Taschenlampe warf zuckende Schatten an die Wände.
Unten angekommen, hastete sie um die Ecke ins Wohnzimmer, wo das Feuer knackte und zischte, doch sein Schein reichte nicht aus, um die dunklen Ecken zu erhellen.
»Eli?«, fragte sie laut. Ihre Stimme hallte durch den leeren Raum. »Schatz?«
Im Erdgeschoss war niemand.
Kein Eli.
Kein Trace.
Keine Hunde.
Trotzdem war da jemand, das spürte sie, jemand oder etwas …
Hör auf damit! Mach dich nicht verrückt!
Die Nacht, in der sie in dem Parkhaus überfallen worden war, schoss ihr ins Gedächtnis. Brutale Bilder von Schmerz und Furcht.
Reiß dich zusammen! Such weiter!
Wo zum Teufel ist Trace’ Sohn?
Angespannt zwang sie sich, die dunkle Küche zu durchqueren, vorbei an düsteren Ecken und Winkeln, und eine Tür zu öffnen, hinter der es vermutlich in den Keller hinunterging. Richtig. Sie zwang sich, die knarzenden Stufen hinabzusteigen und den trockenen Staub einzuatmen, der sich über die Jahre dort angesammelt hatte. Zarte Finger streiften ihre Wangen, und sie wäre vor Schreck fast die restlichen Stufen hinabgestolpert, als sich ein Spinnennetz auf ihr Gesicht legte und sich in ihrem Haar verfing.
Unten angekommen, wischte sie hastig die feinen Fäden ab, wartete, bis sich ihr rasendes Herz ein wenig beruhigt hatte, dann ließ sie den schwachen Lichtstrahl ihrer Taschenlampe über einen Stapel Feuerholz gleiten. Der Geruch nach Zedern mischte sich hier unten in dem kalten Keller mit dem von
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