Zwillingsbrut
seinem Scotchglas greifend, dann folgte sie ihrer Partnerin hinaus in den Schnee.
»Ich fahre«, sagte Pescoli. Während Alvarez auf den Beifahrersitz kletterte, ließ sie den Motor an und stellte die Automatik auf D. Alvarez hatte die Tür noch nicht ganz zugezogen, geschweige denn den Sicherheitsgurt angelegt, als der Jeep auch schon einen Satz nach vorn machte und von der kreisförmigen Auffahrt auf die mittlerweile spiegelglatte Straße schoss, die hügelabwärts führte.
»Weißt du Genaueres?«, fragte Pescoli.
»Nur, dass auf O’Hallerans Ranch etwas nicht stimmt«, sagte Alvarez. »Kacey Lambert hat die Neun-eins-eins angerufen und Schüsse gemeldet.« Sie dachte an den Mann, der ihrer Überzeugung nach all die Frauen auf dem Gewissen hatte – seine Schwestern und Halbschwestern. »Sieht so aus, als wäre Cameron Johnson in einen Blutrausch geraten und würde mit den Leuten dort anfangen.«
»Ich dachte, er bringt nur seine Reagenzglas-Schwestern um?«
»Eben nicht, wie du gerade gehört hast. Außerdem scheint er jeden zu beseitigen, der ihm in die Quere kommt.« Alvarez wiederholte Kaceys Text auf ihrem Anrufbeantworter für Regan.
Selbst im dunklen Wageninnern konnte sie sehen, wie ihre Partnerin bleich wurde. »Der Mistkerl läuft Amok!« Pescoli fuhr so schnell, wie es die schwierigen Straßenverhältnisse eben zuließen. Als sie endlich die Hauptstraße erreichten, warf sie der Latina einen fragenden Blick zu. »Ich nehme an, du hast keine Zigaretten bei dir?«
»Träum weiter«, erwiderte diese und versuchte es noch einmal auf Kaceys Handy.
Wieder wurde sie direkt an die Mailbox weitergeleitet.
Trace’ Finger schlossen sich fester um den Griff der Schaufel.
»Ich habe mich schon gefragt, ob du noch auftauchen würdest«, sagte der Mörder. Dort in der Stalltür, eine dunkle Silhouette vor der weißen Schneedecke, auf der vereinzelt die Strahlen des durch die dicken Wolken blinzelnden Mondes glitzerten, stand Kacey, die Beine gespreizt, ein Gewehr in der Hand. In der stockfinsteren Scheune konnte sie nichts erkennen. Konnte nicht mal vermuten, wo sie sich befanden.
Klick.
Jetzt spannte er den Hahn.
Was dachte sich Kacey nur?
»Hau ab!«, schrie Trace wieder. Panisch riss er die Schaufel von den dicken Nägeln, an denen sie aufgehängt war. Das Schaufelblatt wie einen Schild vor sich haltend, krabbelte er rückwärts zur Tür, um sie aus dem Schussfeld zu stoßen.
»Zu spät!« Hinter ihm ertönte hohles Gelächter.
»Pass auf!«, schrie er und verfluchte sein verletztes Bein, aus dessen Wunde noch immer das Blut floss. »Er hat ein Gewehr!«
»Ich auch«, erwiderte sie ruhig. Zu ruhig. »Bleib unten!«
Peng!
Die Mündung ihrer Waffe spuckte Feuer, dann verschwand sie blitzschnell hinter der Außenwand. Trace drückte sich dicht an den Stallboden.
Peng! Klick! Peng! Klick! Peng!
Der Killer feuerte in rascher Folge. Die Balken des alten Stalls erzitterten, die Pferde gerieten vollends außer Rand und Band, die Hunde bellten wie verrückt, ein Schrei ertönte.
Kacey!
Er rollte sich herum und versuchte, sich aufzurappeln, doch sein verletztes Bein machte nicht mit. Das Einzige, was er tun konnte, war, sich weiter vorwärtszuschieben.
Von draußen war ein entsetzliches Stöhnen zu vernehmen, als wiche sämtliches Leben aus ihrem Körper.
» NEIN !«, schrie er. » NEIN !«
Hinter ihm ertönte ein zufriedenes Lachen; die Freude des Psychopathen über seinen Treffer war fast greifbar.
Du armseliger Irrer, das werde ich dir heimzahlen!
»Trace!«
Was war das?
»Trace!« Kaceys verängstigte Stimme drang an sein Ohr, ein ferner, schwacher Schrei, erstickt vom Tosen des Sturms. O nein, er durfte sie nicht verlieren!
Aber sie lebt!
»Halt durch!«, rief er mit brüchiger Stimme. »Halt um Gottes willen durch!«
Er robbte näher an die Stalltür heran. Plötzlich vernahm er hinter sich Schritte, doch er drehte sich nicht um, bewegte sich weiter, der eisigen Luft entgegen, aus der Stalltür hinaus, ohne dass ihm eine Gewehrmündung an den Hinterkopf gedrückt wurde.
Da sah er sie. Reglos. Eine zusammengesackte Gestalt im Schnee direkt vor dem Gebäude, das Haar flatternd im Wind.
NEIN
!
NEIN
!
NEIN
!
Bitte, lass sie am Leben sein!
»Kacey«, stieß er hervor. »Bitte … Kacey.« Wieder hörte er ein Geräusch hinter sich. Der verwundete Killer kam näher. Würde er jetzt auch ihn umbringen?
Hatte sie sich etwa bewegt? Ja, da sah er es wieder: Ein Fuß zuckte. Er
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