Zwillingsbrut
Ambulanzwagen getragen wurde.
»Ich muss ihn begleiten«, beharrte Kacey.
»Sie können mit uns fahren«, bot Pescoli ihr an.
»Seht mal!« Trilby Van Droz, eine der Streifenbeamten, deutete mit dem Kopf Richtung Straße. »Sieht so aus, als bekämen wir Gesellschaft.« Am Ende der Zufahrt tauchten zwei Scheinwerfer in der Dunkelheit auf, das dazugehörige Fahrzeug konnte man nicht erkennen. »Wetten, das ist die Presse?«
Ein Nachrichten-Van. Was sonst?
Na großartig. Genau das, was sie brauchten. »Die sollen verschwinden! Erst mal müssen wir herausfinden, was hier eigentlich passiert ist«, rief Pescoli, und Van Droz rannte die Zufahrt hinunter, dem Rettungswagen hinterher, der Trace abtransportierte.
»O’Halleran wird durchkommen«, sagte Alvarez.
»Aber Eli. Wir müssen ihn finden«, beharrte Kacey. »Leanna … sie muss im Haus gewesen sein, um mich zu warnen. Aber es war so dunkel … der Strom ist ausgefallen …«
»Können Sie aufstehen?«, fragte Pescoli, die am Streifenwagen neben der Beifahrertür lehnte, und bot Kacey den Arm.
»Es … es geht mir gut«, erwiderte Kacey, doch sie hielt sich an der Beamtin fest.
»Dann mal los«, sagte diese. Zusammen mit Alvarez stapften sie durch den hohen Schnee zum Jeep. Kacey, deren Wagen noch immer in der Polizeiwerkstatt stand, kletterte auf den Rücksitz. Alvarez nahm auf dem Beifahrersitz Platz, Pescoli fuhr.
Wenngleich Cameron Johnson tot war und kein weiteres Unheil anrichten konnte, verspürte Pescoli nach wie vor ein nervöses Kribbeln. Das Verschwinden des Jungen machte es nicht besser. Wo zum Teufel konnte er stecken? Zu viele lose Enden mussten verknüpft, zu viel Beweismaterial ausgewertet werden, außerdem mussten sie Kaceys Aussage überprüfen. Selbst wenn die Ärztin halb verrückt zu sein schien vor Sorge um den Jungen und Trace O’Halleran, wollte sie sie mit ins Department nehmen.
Nach ihrem Abstecher in die Notaufnahme.
Ja, dachte Pescoli, während sie auf die Landstraße fuhr, an deren Rand das Nachrichtenteam eines lokalen Fernsehsenders in seinem Übertragungswagen hockte, Kacey Lambert hatte die Neun-eins-eins angerufen, und sie hatte Alvarez mehrere Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen. Sie hatte die Behörden an den Tatort geführt, aber sie hatte sich nicht an die Regeln gehalten, hatte entgegen der Anweisung der Vermittlungsbeamtin das Haus verlassen und das Gesetz in die eigenen Hände genommen.
Und damit O’Halleran das Leben gerettet.
Doch zwei andere Menschen waren gestorben, und der Junge wurde vermisst.
Ihre bruchstückhafte Aussage deckte sich mit dem, was die Jungs von der Spurensicherung bislang zusammengetragen hatten, doch es war noch zu früh für endgültige Schlüsse. Noch mussten sie alles bis ins kleinste Detail überprüfen.
Sie fuhren in Richtung Grizzly Falls.
Der Mond hatte sich wieder hinter dicken Schneewolken verschanzt, und es war stockfinster; offenbar betraf der Stromausfall nicht nur die O’Halleran-Ranch. Nur in den wenigen Farmhäusern, die über einen Generator verfügten, sah man Licht in den Fenstern. Zwei Pick-ups hatten angehalten, um ein Fahrzeug aus dem Straßengraben zu ziehen, ansonsten kämpften sich nur wenige Wagen durch den Sturm.
Pescoli hatte die Heizung hochgedreht, im Jeep war es so heiß wie in einer Sauna, trotzdem schien Kacey Lambert nicht warm zu werden und erzählte ihnen ihre Geschichte bibbernd zum zweiten Mal. Sie machte sich große Sorgen um Eli.
»Ich werde es mir nie verzeihen, sollte ihm etwas zugestoßen sein«, sagte sie und blickte angestrengt aus dem Fenster. Ihr Atem ließ die Scheibe beschlagen. »Niemals.«
Zwei Minuten später, gerade als sie das schneebedeckte Schild mit der Aufschrift »Willkommen in Grizzly Falls« erreichten, klingelte Alvarez’ Handy. Sie nahm den Anruf entgegen und lauschte. Es war ein einseitiges Gespräch: »Was? … Wo? … Danke, gut gemacht!« Dann drehte sie sich zu Kacey nach hinten. »Wir haben ihn.«
»Wen?
Eli?
«, fragte diese ungläubig.
»Ja. Er ist in Sicherheit.«
»Gott sei Dank!«, stammelte Kacey. Ihre Stimme brach, und sie zog geräuschvoll die Nase hoch.
Eine Welle der Erleichterung schwappte über Pescoli hinweg. Sie wollte gerade etwas sagen, als Alvarez die Hand hob. »Pst!«, sagte sie und führte ihr Gespräch fort. »Ja, bringen Sie ihn ins Büro. Wir treffen uns dort.« Als sie auflegte, konnte auch sie ihre sonst stets ruhige, professionelle Fassade nicht mehr aufrechterhalten.
Weitere Kostenlose Bücher