Zwillingsbrut
kroch näher und erkannte im bleichen Licht des Mondes einen dunklen Fleck im Schnee, der sich immer weiter um sie herum ausbreitete. »Warum?«, flüsterte er, gepackt von neuerlichem Zorn und Kummer. Warum war sie bloß zu ihm hinaus in den Stall gekommen?
»Zu spät, Freundchen«, keuchte eine Stimme hinter ihm. In weiter Ferne ertönte das Geheul von Sirenen.
Erschöpft und völlig außer Atem warf Trace einen Blick über die Schulter und sah einen riesigen Schatten in der Stalltür. Das Gewehr im Anschlag, ein Nachtsichtgerät vor den Augen, lehnte er am Türrahmen. Dunkle Tropfen färbten den Schnee unter seinem linken Arm – die Heugabel hatte ganze Arbeit geleistet, dachte Trace.
»Du bist so gut wie tot«, zischte der Killer.
In dem Augenblick entdeckte Trace die Waffe im Schnee.
Sie lag vor Kaceys Fingerspitzen, der Lauf von ihr abgewendet.
Mit einem Ruck schob sich Trace nach vorn, den Arm ausgestreckt, das Schaufelblatt noch immer als Schutzschild nutzend. Seine Finger streiften die Mündung; die Waffe drehte sich und grub sich tiefer in den Schnee.
Der Mörder lachte, ein gurgelndes, dämonisches Lachen, das das Tosen des Sturms übertönte. »Netter Versuch, du Bastard!«
Klick!
Trace ignorierte sein verletztes Bein und schnellte mit aller Kraft ein zweites Mal nach vorn. Diesmal bekam er die Waffe zu fassen, auch wenn er vor Schmerz fast ohnmächtig wurde.
»Sprich schon mal deine Gebete, Cowboy«, befahl der Killer. »Gleich wirst du deiner Freundin Gesellschaft leisten.«
Plötzlich ertönte ein furchterregendes Knurren aus dem Stall hinter ihm.
Der Irre fuhr herum, für einen winzigen Moment abgelenkt.
Beide Hunde schossen gleichzeitig aus der offenen Stalltür, direkt auf ihn zu. Mit angelegten Ohren und zurückgezogenen Lefzen, die Köpfe gesenkt, teilten sie sich: Einer wandte sich nach links, der andere nach rechts. Drohend umkreisten sie den Killer wie hungrige Wölfe ihre Beute.
»Verflucht.« Ohne zu zögern richtete der Kerl die Waffe auf den größeren Hund.
Bonzi!
»Nein!«, brüllte Trace und versuchte, auf die Beine zu kommen – ohne Erfolg.
Bonzi sprang, die kräftigen weißen Zähne gebleckt.
Wumm!
Der Killer fuhr zusammen. Schrie auf. Ließ das Gewehr fallen.
Wumm!
Wieder bäumte sich der Mann auf und ruderte wild mit den Armen.
Dann fiel er nach vorn auf die Knie. Vor ihm im Schnee bildete sich ein zusehends größer werdender roter Fleck.
»Wo ist er?«, fragte eine Frau mit fester Stimme.
Trace, dem erneut schwindlig wurde, warf einen Blick über die Schulter.
Was hatte das zu bedeuten? Wer konnte das sein?
Die Frau kam näher, ein Gewehr –
sein
Gewehr – auf den verwundeten Mann gerichtet.
Kacey?
Aber –
Er sah auf die reglose Frau, die vor ihm im Schnee lag – Kacey. Das Sirenengeheul wurde lauter.
»Wo zum Teufel ist Eli, Cameron?«, fragte die neue Kacey und zielte direkt auf den verwundeten Mann.
Du halluzinierst,
dachte Trace.
Zwei Kaceys? Das kann doch nicht sein …
Kacey Nummer zwei trat zu dem verwundeten Mann und schob mit dem Fuß dessen Gewehr zur Seite. Der Kerl, den sie Cameron genannt hatte, ächzte ein letztes Mal rasselnd, dann sackte er in sich zusammen und rührte sich nicht mehr.
Sie riss den Blick von seiner schwarzen Skimaske los, wandte sich um zu Trace und bemerkte das Blut, das aus seinem Oberschenkel strömte und den Schnee um ihn herum dunkel verfärbte.
»O mein Gott, Trace!«
Wie in Zeitlupe sah er sie auf sich zulaufen, Schnee aufwirbelnd, das Gewehr in einer Hand, eine Taschenlampe in der Tasche. »Um Himmels willen, du blutest!«, rief sie und ging neben ihm in die Knie.
»Kacey«, flüsterte er und streckte die Hand nach ihr aus, um sie an sich zu ziehen. Doch ihm wurde schwarz vor Augen, alles um ihn herum drehte sich …
»Warte … Lass mich erst nach deiner Verletzung sehen … Ach du liebe Güte, Trace …« Er hörte, wie sie nach Luft schnappte. Offenbar hatte sie die tote Frau neben ihm entdeckt. »O mein Gott, wer ist das?«, flüsterte sie, dann räusperte sie sich und beugte sich zu der Frau hinüber, die ihr Zwilling hätte sein können. Sie berührte den Hals ihrer Doppelgängerin und tastete nach deren Puls, dann brachte sie ihr Ohr an ihre Nasenlöcher. »Sie ist tot«, wisperte sie und wandte den Blick ab. »Wir müssen dich ins Krankenhaus bringen«, sagte sie leise zu Trace und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Seine Augenlider waren bleischwer, immer wieder glitt er in die
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