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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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halb leeres Glas Wasser und die zerknüllte Schachtel eines rezeptfreien Grippemedikaments standen auf dem Nachttisch, daneben lagen ein Taschenbuch und ihr Handyladegerät. Schmutzwäsche quoll aus einem Wäschekorb auf dem Fußboden, die Fernbedienung für einen kleinen Fernseher lag auf der verknäulten Bettdecke.
    Plötzlich ertönte Musik.
    Vor Schreck wäre er fast aus der Haut gefahren. Einen Augenblick dachte er, jemand wäre in der Wohnung, dann wurde ihm klar, dass offenbar ihr Handy klingelte. Er folgte dem Geräusch ins Wohnzimmer zu einem Fernsehsessel. Die Musik verstummte abrupt, doch er tastete zwischen den Polsterritzen, bis seine Finger auf das Handy stießen.
    Er überprüfte die Liste der eingegangenen Anrufe und sah, dass die meisten unbekannt waren, doch auch er selbst war zweimal aufgeführt, außerdem die Evergreen Elementary und einige ihm bekannte Namen. Ein Blick auf ihre Textnachrichten ergab, dass alle um Rückruf oder eine Antwort per SMS baten.
    »Wo zum Teufel steckst du?«, fragte er sich laut und legte das Handy auf einem kleinen Tisch ab. Seine Stimme hallte in dem kleinen Apartment wider. Es gab keinerlei Anzeichen für einen Einbruch, nichts schien an der falschen Stelle zu sein. Ihr Laptop, Fernseher und sogar etwas Kleingeld auf dem Küchentresen waren unberührt. In einer der kleinen Schüsseln auf dem Fußboden neben dem Mülleimer befand sich vertrocknetes Katzenfutter.
    Er ging zurück in den Flur und entdeckte ihre Auto- und Wohnungsschlüssel auf einem kleinen Tisch bei der Eingangstür.
    Seltsam. War sie rausgegangen und hatte sich ausgesperrt?
    Unwahrscheinlich, es war ja abgeschlossen gewesen.
    Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihre Freundin anzurufen und ihr zu berichten, was er vorgefunden hatte; dann, so vermutete er, müssten sie ihre Familie und vielleicht sogar die Polizei benachrichtigen.
    Er sperrte die Eingangstür hinter sich zu und legte den Ersatzschlüssel zurück auf den Querbalken, dann kehrte er zu seinem Wagen zurück und hoffte inständig, dass es Jocelyn gutging.
    Er hatte das ungute Gefühl, dass dem nicht so war.
     
    Kurz nach sieben lenkte Kacey ihren Ford Edge von der Hauptstraße auf die Auffahrt zu ihrem Haus. In den letzten Stunden hatte sie gegen Kopfschmerzen ankämpfen müssen, und ihr Magen knurrte.
    Sie schaute in den Rückspiegel und stellte fest, dass der Wagen, der ihr gefolgt war – ein Minivan mit einem Weihnachtsbaum auf dem Dach –, an ihr vorbeischoss. Nichts Auffälliges. Nichts Schlimmes, es sei denn, man hielt das Schlagen von Weihnachtsbäumen
vor
Thanksgiving für eine Sünde. Kacey war hin- und hergerissen.
    Hinter dem Minivan fuhr ein dunkler Pick-up, das beliebteste Transportmittel in dieser Gegend, danach kam eine helle Limousine, keine von denen, vor denen man sich fürchtete, wenn man allein eine Landstraße in die Berge hinauffuhr. Meistens ging es ihr recht gut, doch sie fragte sich, ob sie sich je wieder ganz sicher fühlen würde. Immer, wenn sie allein war, kamen alte Erinnerungen und Zweifel in ihr hoch.
    Das ist alles nur Einbildung. Wieder einmal. Du musst endlich darüber hinwegkommen! Der Überfall liegt beinahe sieben Jahre zurück. Willst du dein ganzes Leben damit verbringen, ständig ängstlich über die Schulter zu blicken? Du bist hier. In Grizzly Falls, nicht in Seattle. Du bist in Sicherheit.
    Kacey biss die Zähne zusammen und zählte bis zehn. Ihre Scheinwerfer warfen helle Lichtkegel über die mittlerweile fünf Zentimeter dicke Schneedecke am Boden und spiegelten sich in den Millionen von Flocken wider, die vom dunklen Himmel wirbelten.
    Das alte Farmhaus, in dem sie lebte, kam in Sicht. Sie lächelte, als sie sah, wie einladend und gemütlich es im bläulichen Licht der Laterne am Ende der Auffahrt aussah. Vor fast hundert Jahren in Schindelbauweise errichtet, hatte das Haus ein steiles Giebeldach mit zwei Dachgauben und einer breiten Veranda, die ums ganze Obergeschoss reichte. Zwei Lampen brannten, eine im Wohnzimmer, die andere im Arbeitsraum, beide mit Zeitschaltuhren ausgestattet, damit sie nicht in ein dunkles Haus zurückkehren musste.
    Sie drückte auf den Garagenöffner. Sobald das Tor offen war, fuhr sie hinein und betätigte wieder die Fernbedienung. Erst nachdem sich das Tor wieder ganz geschlossen hatte, stieg sie aus ihrem Geländewagen. Sie war sehr viel vorsichtiger geworden, als sie es in ihrer Kindheit gewesen war oder als Studentin, für die es nichts als ihr Streben nach

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