Zwillingsbrut
»Hallo?«
»Trace? Hier spricht Mia Calloway. Ich bin die Sekretärin von der Evergreen Elementary, und … nun, wie geht es dem Jungen? Eli?«
»Besser. Ich habe bereits mit der Rektorin gesprochen.« Er ging aus der Küche ins Wohnzimmer, um ungestörter sprechen zu können.
»Ja, ja, ich weiß … Aber ich rufe nicht wegen Eli an«, räumte sie leicht nervös ein, »es geht um Jocelyn Wallis.«
Sein Magen verkrampfte sich, aber er sagte nichts, sondern ließ sie weitersprechen.
»Sie ist heute nicht in der Schule erschienen und hat nicht angerufen, um sich zu entschuldigen. Es ist auch kein Unterrichtsplan für ihre Vertretung eingegangen – nichts. Niemand hat etwas von ihr gehört, aber ich weiß … Nun, sie hat mir erzählt, dass Sie beide miteinander ausgegangen sind, daher dachte ich, Sie wüssten vielleicht …« Ihre Stimme verklang.
»Ich habe keine Ahnung, warum sie nicht aufgetaucht ist«, sagte er.
»Ach … ja – ich bin einfach nur beunruhigt. Wir sind befreundet, und ich bin zu ihrem Haus gefahren. Auf mein Läuten hin hat sie nicht geöffnet. An allen Fenstern waren die Vorhänge zugezogen oder die Jalousien heruntergelassen, so dass ich nicht hineinsehen konnte. Es brannte Licht, so viel konnte ich erkennen, aber das muss ja nichts bedeuten. Ich weiß, dass sie sich nicht wohl gefühlt hat, deshalb habe ich versucht, sie anzurufen, doch es ist bloß der Anrufbeantworter drangegangen. Was soll ich nur davon halten? Ob sie die Stadt verlassen hat? Oder einfach zu krank ist, um ans Telefon oder an die Haustür zu gehen?« Sie ließ die Frage in der Luft hängen, und als Trace nichts erwiderte, fügte sie hinzu: »Wie ich schon sagte: Ich mache mir Sorgen und versuche herauszufinden, was mit ihr passiert ist.«
»Wenn ich etwas von ihr höre, rufe ich Sie an.«
»Oh … danke. Ähm, Sie haben nicht zufällig ihren Schlüssel? Ich meine, bevor jemand die Polizei ruft, wäre es vielleicht gut, in die Wohnung zu gehen?«
»Nein, ich habe keinen Schlüssel«, teilte er ihr mit. »Außerdem habe ich Jocelyn seit Monaten nicht gesehen.«
»Ach. Sie sagte, sie habe Sie gestern angerufen …«
»Das hat sie nicht.«
»Nun, dann … entschuldigen Sie bitte die Störung. Sollten Sie etwas von ihr hören, richten Sie ihr doch bitte aus, sie möge Mia anrufen.«
»Ich denke zwar nicht, dass das der Fall sein wird, aber ja, selbstverständlich. Kann sie Sie in der Schule erreichen?«
»Sicher, aber auf dem Handy wäre es mir lieber.« Mia Calloway klang ernstlich besorgt. »Das passt so gar nicht zu ihr. Jocelyn ist eine äußerst korrekte, engagierte Lehrerin. Sie würde ihre Schüler niemals im Stich lassen. Das macht doch alles keinen Sinn. Nun, vielen Dank.«
Er legte auf und drehte sich um. Tilly stand in der Schwingtür und versuchte nicht einmal zu vertuschen, dass sie gelauscht hatte. »Das war die Schule, stimmt’s? Wegen Jocelyn Wallis?«
»Eine Freundin von ihr hat angerufen«, gab er zu.
Tillys Gesicht verfinsterte sich. »Von meiner Nichte habe ich gehört, dass sie heute nicht zum Unterricht erschienen ist. Seltsam.«
»Mal wieder die Nichte!«, rief Ed.
»Ihre Freundin behauptet, sie habe mich gestern angerufen, aber ich habe keine Nachricht erhalten.« Trace bemerkte, dass Eli auf seinem Stuhl tiefer rutschte. »Oder etwa doch?«
Der Junge schüttelte den Kopf, aber Trace ging zu dem altmodischen Wandtelefon hinüber, das einen Anrufbeantworter hatte. Das kleine Licht, das anzeigte, ob eine Nachricht eingegangen war, blinkte nicht, doch als er den Knopf für die Liste der eingegangenen Anrufe drückte, erschien WALLIS , J. auf dem Display.
»Hast du eine Nachricht von Miss Wallis abgehört?«, fragte er seinen Sohn, doch Eli schüttelte bereits den Kopf.
»Äh-ähm … da war keine Nachricht.« Der Junge blickte schuldbewusst drein, dennoch glaubte Trace ihm. Rasch ging er sämtliche noch nicht gelöschten Nachrichten durch, doch von Jocelyn war keine darunter. Trace spürte, wie ihm ein kaltes Kribbeln das Rückgrat hinablief, und hängte den Hörer zurück. Tilly starrte ihn an.
»Vielleicht solltest du besser mal nachsehen«, schlug sie vor. »Wir bleiben so lange bei Eli.«
»Aber ich will mitkommen«, protestierte der Junge.
»Wie bitte?«, fragte Tilly mit gespieltem Entsetzen. »Und dich vor einer Revanche drücken? Keine Chance, mein Lieber! Jetzt werde ich dich besiegen!« Sie warf Trace einen schnellen Blick zu, und er verstand.
»Ich bin bald
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