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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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waren seine Stiefelabsätze und das Klackern von Sturgis’ Krallen auf dem Linoleum verhallt.
    Selena lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und rief sich ins Bewusstsein, dass Grayson ihr Vorgesetzter war. Ja, sie fand ihn attraktiv auf seine schroffe Rancher-Art. Seine langen Beine, die schmalen Hüften und die breiten Schultern verliehen ihm das Aussehen eines Cowboys, zäh wie Leder. Soweit sie wusste, hatte er sein ganzes Leben hier in der Gegend verbracht, war einmal verheiratet gewesen – die Details kannte sie nicht. Grayson hielt sein Privatleben strikt unter Verschluss, was sie bewunderte. Sie tat dasselbe.
    Was ihre Aussage von vorhin anbetraf, so hatte sie nicht gelogen: Im Büro ging es ausnahmsweise einmal ruhig zu, abgesehen vom Summen der Heizanlage. Es gelang ihr wirklich, einen ganzen Stoß Arbeit vom Tisch zu schaffen, wenn sie nicht von ihren Kollegen, klingelnden Telefonen, Faxgeräten und E-Mails abgelenkt wurde, die alle zehn Sekunden ihre Aufmerksamkeit forderten. Gelogen hatte sie nur, was das Aufarbeiten anbelangte.
    Stattdessen hatte sie sich noch einmal die Autopsie und den toxikologischen Befund der toten Lehrerin vorgenommen.
    Die Autopsie hatte ergeben, dass Jocelyn Wallis ein Herzleiden hatte, vermutlich fortgeschrittener, als sie ahnte. Laut Gerichtsmedizin waren ihre Arterien teilweise verstopft und hätten von einer doppelt so alten Frau stammen können – das Ergebnis schlechter Gene und eines ungesunden Lebensstils. Ohne entsprechende Behandlung wäre sie vermutlich sehr jung an einem Herzinfarkt gestorben. Es gab keinerlei Hinweis auf kürzlich erfolgte sexuelle Aktivitäten, dafür hatte man neben den frei verkäuflichen Erkältungsmedikamenten Spuren von Arsen in ihrem Blut gefunden.
    Alvarez ging den Teil durch, in dem der Mageninhalt des Opfers aufgelistet war, doch sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken: Gemüsesuppe mit Huhn, Kaffee und nur wenig anderes.
    Seltsam. Anstatt sie von ihrem Verdacht zu befreien, hatten sie die Befunde im Gegenteil nur bestätigt. Selena blickte wieder auf Jocelyns Foto und fragte leise: »Was ist nur mit dir passiert?«
    Und – was noch wichtiger war – hatte jemand dabei nachgeholfen?
    Jocelyn war zweimal verheiratet gewesen; einer der Ex-Männer lebte außerhalb von Laramie, Wyoming, der andere in Edmonton, Alberta, Kanada. Beide hatten wasserdichte Alibis und scheinbar nur wenig Kontakt zu ihrer Ex-Frau. Ohne Kinder und die damit verbundenen Sorgerechtspflichten oder gemeinsame Geschäftsangelegenheiten gab es keinen Grund, miteinander in Verbindung zu bleiben.
    Jocelyns Lebensversicherung deckte gerade mal ihre Beerdigungskosten, als Begünstigte waren ihre Eltern eingetragen. Nichts Außergewöhnliches also. Ihr Wagen war noch nicht abbezahlt, von dem Fahrzeug würde also niemand profitieren. Ihre Telefonliste war da schon interessanter. Abgesehen von ihren Freundinnen hatte sie mehrfach Trace O’Halleran angerufen, obwohl sie anscheinend nur Nachrichten hinterlassen hatte, denn die Anrufzeiten waren kurz.
    War das eine Spur?,
fragte sich Alvarez. O’Halleran war in Jocelyns Apartment eingedrungen, das hatte er zugegeben; seine Fingerabdrücke würden vermutlich mehrfach mit denen übereinstimmen, die sie sichergestellt hatten. Der Rancher zählte zu den wenigen, die wussten, wo sie ihren Ersatzschlüssel verwahrte, wenngleich jeder das Versteck entdeckt haben könnte.
    Dennoch … Trace O’Halleran war der letzte Mann, mit dem sie sich getroffen hatte. Und er war derjenige, den die Schule angerufen hatte, als man sich dort Sorgen um Jocelyn Wallis machte.
    Er wirkte völlig normal, doch selbst ruhige, ausgeglichene Leute ließen sich in entsprechenden Situationen zu Gewalttaten hinreißen.
    Es wäre besser, ihn zu überprüfen.
    Alvarez fuhr ihren Computer herunter und beschloss, dass es an der Zeit für weitere Nachforschungen war. Selbst heute, an Thanksgiving, arbeitete eine Notmannschaft im kriminaltechnischen Labor, also würde sie kurz anrufen und Mikhail Slatkin, den diensthabenden Beamten, bitten, sie vor Jocelyn Wallis’ Apartment zu treffen. Jetzt, da sie zu beweisen hatte, dass Miss Wallis nicht einfach ausgerutscht war, musste sie deren Zuhause noch einmal gründlicher unter die Lupe nehmen, genau wie ihre Lebensumstände und ihren Job.
     
    Er zog eine dunkle Baumwollhose, ein frisches Hemd und einen sportlichen Pullover an, dann warf er einen Blick in den Spiegel und kam zu dem Schluss, dass sein Look für

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