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Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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Gefahren, die mit der besonderen Lieferung einhergingen, viele Leute seien zufriedenzustellen, um die Ware zu bekommen, noch mehr, um sie aus dem Sektor herauszuschmuggeln. Er drehte und wendete die Sachlage, bis die Generalin ihn unterbrach und die Summe nannte. Der Leutnant zeigte weder Erstaunen noch erhob er Einspruch, er feilsche nicht, sagte, er werde bezahlen, griff zum Kartenpaket, brach den Karton auf, entfernte Deckblatt und Joker und mischte.
    Â»Wir haben Ihnen schon einmal geglaubt«, sagte Gabor.
    Alec vertraute dem hellen Geräusch der ineinandergleitenden Karten, breitete das Paket linienförmig aus, stippte mit dem Mittelfinger dagegen, die erste Karte stellte sich auf – mit kühlem Blick sah der Karobube ihn an, Acht und Neun in Schwarz, das Zepter eines Königs, die liebliche Herzdame –, der Leutnant kippte die
Figuren in die Gegenrichtung, schloß das Paket und mischte. Der Brillenträger zog den Stuhl heran und rutschte darauf so weit vor, daß die Tischkante ihm in den Bauch schnitt. Gabor zeigte ein ergebenes Lächeln, als könne er es nicht ändern, unvernünftig zu handeln. Die Generalin ergab sich der Magie der Karten zuletzt, öffnete den Druckknopf der Stola, die Nerze ließen voneinander. Sie hängte den Pelz über den Stuhl und setzte sich, die Beine seitlich angewinkelt, als müsse sie gleich zur nächsten Verpflichtung.
    Â»Sussex-Havellock«, sagte der Leutnant.
    Sussex-Havellock, wiederholte der Major, als bedeute das Wort den Schlüssel zu ihrer aller Leidenschaft.
    Â»Limit?« Hayden schaute jedem in die Augen. Gabors Lider senkten sich halb über die Pupille, der Major behauchte die Brillengläser.
    Â»Ohne Limit«, sagte die Kosigk und wie zu sich selbst: »Den großen Coup gibt es nicht.«
    Der Leutnant öffnete die Lasche des Futterals, griff zur Schatulle und teilte jedem den Gegenwert seines Geldes in Jetons zu. Der Major warf einen Blick zur Cognac-Karaffe, stand aber nicht mehr auf; er riß das erste Blatt an sich und betrachtete es mit vorgeschobenem Kinn. Gabor stapelte die Jetons zu gleich hohen Türmen, nahm die Karten bedächtig, als sehe er ihre Bilder zum ersten Mal. Die Generalin ließ sich eine Zigarette anzünden, dann erst griff sie zum Blatt. »Ein Pfund.«
    Der Leutnant nahm das Paket.
    Â»Gekreuzigtes Pärchen«, sagte er zum Major, deckte Gabor eine Sieben auf, Bube, Acht und As für die Generalin. »Cemischtwarenladen. «
    Lächelnd lehnte er sich zurück, die Grenze aus Licht schnitt seine Schultern entzwei. Die Zigarette der Kosigk lag auf dem Tischrand, Gabor genehmigte sich eine Henry Clay, gelblich quoll es unter dem Lampenschirm hervor, die Generalin trank Wein.
    Der Leutnant gewann, verlor und gewann, die Richtung war noch nicht abzusehen; die Jetons auf seiner Seite nahmen zu, er
machte sich nicht die Mühe zu zählen. Der Major pointierte hoch, zwei Bluffs mißlangen, nach einem Dutzend Spielen war er gezwungen, Papiergeld in die Mitte zu werfen. Seine Pechsträhne hielt an, die Scheine wechselten den Besitzer, glasig schaute er in die Runde, hasardierte und verlor. Hatte er zu Beginn mit beiden Währungen gespielt, waren es mittlerweile nur noch braune Scheine, lappig, mit verblichener Schrift.
    In diesen Minuten, eingesponnen in die wechselnde Ordnung der Karten, ihren Einsatz und Tausch, dem Locken und Täuschen, begriff Alec, daß sein Vorgesetzter, der gierige Major aus Sheffield, nicht nur die Armee hinterging, sondern auch seine Spießgesellen. Mit ihnen hatte er den Krieg in ein Geschäft, das besetzte Deutschland in ein Absatzgebiet verwandelt. Nun betrog er die Witwe des Generals und den Schieber, der ihm alles beigebracht hatte, indem er beiden den Zeitpunkt verschwieg. Jeder hatte etwas gehört, wußte, daß die Veränderung kam, doch der Tag blieb geheim. Alec beobachtete den Dicken – auch wenn er Türme aus Papier verlor, hinterher würde er es kaum spüren. Daneben Marions unecht leuchtendes Haar, ihr Gesicht schimmerte weich, selbstvergessen manövrierte sie zwischen schwarzen und roten Kombinationen, Chips und Scheine wanderten ungeprüft auf ihren Haufen. Gabor legte rauchend den Kopf zurück, das glimmende Zigarrenende stand wie eine Fackel empor.
    Der Leutnant spielte eisern, bestimmte den Verlauf, ließ Marion gewinnen, um ihr im nächsten Zug mehr als das Doppelte abzunehmen.

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