Zwischen den Gezeiten
Jeep hielt vor der Baracke, der Leutnant nahm die Tasche vom Sitz und betrat die Kommandantur. Der schwarze Hund streckte sich zu FüÃen des Commanders, am Extratisch legte eine Zivilistin Stift und Block bereit.
Fragend musterte der Kommandant den Leutnant. »Hayden?« sagte er, als müsse er sich den Namen erst ins Gedächtnis rufen. Alec nahm Haltung an, sein Gegenüber erwiderte den GruÃ.
»Haben Sie eine Minute für mich, Sir?«
»Wir sind, Sie sehen ja â« Seufzend wies der Commander zur Tür und bat den Leutnant in sein Büro.
Tisch, Waschbord, Aktenschrank, Tresor; Alec war nicht oft hier gewesen. »Hübsche Jolle.« Er zeigte auf die Photographie beim Fenster.
»Genaugenommen ist sie ein Kimmkieler.« Der andere kam näher. »DreiÃig FuÃ, angenehmer Tiefgang, sie liegt bei Theyrecroft, kennen Sie die FluÃmündung?« Der Commander wechselte die Seite, um besseres Licht auf das Bild zu schaffen. »Bin jeden Sommer dort â im Frieden. Jetzt wäre die beste Zeit, endlose Tage, Brise in den Espen, da flitzt sie nur so übers Wasser. Segeln Sie auch?«
Der Leutnant legte den Kopf schief, man konnte es für Ja oder Nein nehmen. »Wie heiÃt sie?«
»Olympia â wie meine Frau«, antwortete der Kommandant und wurde sich bewuÃt, daà das Gespräch den dienstlichen Boden verlassen hatte. »Hayden, was liegt an?«
Durch das Fenster sah man zum C-Block, Alec erinnerte sich seines früheren Zimmers, nicht ungemütlich; an jenem ersten Nachmittag, es war beinahe noch Winter gewesen, hatte er Inga dorthin geschickt, um etwas für ihn zu holen. Der Spind, das schwarze Futteral, sie hätte ihn damals bestehlen können. Wenn Sie den Himmel mögen, ist es schön, hatte sie über die Gegend gesagt. Sie trug dünne Schuhe, Zwirnmantel und Kniestrümpfe, sträubte sich erst, ihm behilflich zu sein, und brannte zugleich darauf. Sie hätte alles für mich getan, dachte der Leutnant und fragte sich, was so beängstigend daran war, von einem Menschen verwöhnt zu werden.
»Sie können sich vorstellen, wie wenig Lust ich habe, hier den Ermittler zu machen«, sagte der Commander und ging hinter den Schreibtisch.
Der Leutnant stellte die Tasche ab. Zu Beginn hatte er Inga für arglos gehalten, neugierig, unbedacht; als sie ihre Eltern bestahl, nahm er es für Abenteuerlust â nie warf sie einen Blick nach hinten, lernte nicht aus Fehlern. Die Umstände und ihre Sehnsucht auszubrechen hatten sie ins Gefängnis gebracht â vor allem aber sein schlechtes Vorbild. Er starrte die Hände des Kommandanten an, dessen fragend abwartendes Gesicht.
»Ich habe mir etwas zuschulden kommen lassen«, sagte der Leutnant. »Ich möchte nicht, daà ein anderer dafür zur Rechenschaft gezogen wird.«
Er nahm die Tasche an beiden Henkeln und hob sie ins Blickfeld des Commanders. »Es war falsch. Aber ich brauchte es«, fuhr er fort. »Ich möchte meine Schuld wiedergutmachen.«
Alec zog das Leder auseinander und gab den Blick frei auf das gebündelte Geld. Unwillkürlich faÃte der Commander hinein, behielt Pfundnoten zwischen den Fingern, darunter lagen Reichsmark.
»Sie werden feststellen, daà es vollständig ist«, sagte Alec.
Der Kommandant richtete sich ruckartig auf. »Aber wie â ich verstehe nicht.« Befehlston jetzt, die Arme auf den Rücken geschlagen. »Erklären Sie.«
Der Leutnant nahm Haltung an, berichtete, was er aus Ingas Erzählung zusammengesetzt hatte â von den Hosen des Vorgesetzten, den Schlüsseln und ihren Aufenthaltsorten, der Kombination des Tresors und den Schatullen im Inneren; er zeigte auf die betreffenden Gegenstände, als seien sie ihm vertraut, und beendete sein Geständnis mit der Versicherung, es sei eine Angelegenheit auf Leben und Tod gewesen, andernfalls er den Diebstahl nicht begangen hätte.
Der Commander stand regungslos. »Sind Sie von Sinnen, Mann?« flüsterte er. »Was erwarten Sie jetzt, daà ich tue?«
»Darüber maÃe ich mir kein Urteil an.« Alec verharrte in Haltung.
»Ich â kann doch nicht â« Der andere wandte den Kopf zur Tür. »In welche Lage bringen Sie mich!« Er rià die Luft ein. »Da drauÃen ist alles bereit zum Verhör.« Gleich einem Lehrer, der die Klasse zur Ordnung ruft,
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