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Zwischen den Sternen

Titel: Zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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solche Dinge völlig unvorbereitet sein. Die Kolonisation - eine wirkliche Kolonisation und nicht das, was wir hier auf Huckleberry machen - ist ständige harte Arbeit. Einige der Kolonisten könnten daran scheitern und alle anderen mit ins Verderben reißen. Die Verantwortlichen könnten inkompetent sein und schlechte Entscheidungen treffen.«
    »Ich glaube, wegen des letzten Punkts müssten wir uns keine Sorgen machen.« Ich wollte versuchen, ein wenig die Stimmung zu heben.
    Aber Jane schluckte den Köder nicht. »Ich will dir nur sagen, dass so etwas nicht ohne Risiken ist. Es gibt so viel, was schiefgehen könnte. Wenn wir uns dazu entscheiden, müssen wir uns offenen Auges diesen Risiken stellen.«
    Das war ganz meine Mutter. Ihr Sinn für Humor war nicht so unterentwickelt wie bei Hickory und Dickory, denn ich konnte sie durchaus zum Lachen bringen. Aber das hielt sie nicht davon ab, immer wieder einen Ernst an den Tag zu legen, wie ich ihn noch bei keinem anderen Menschen erlebt hatte. Wenn sie fand, dass man sich aufmerksam mit einem Problem auseinandersetzen sollte, das sie erkannt hatte, dann schaffte sie es auch, einen dazu zu bringen.
    Das ist gar kein schlechter Charakterzug, aber in diesem
Moment fühlte ich mich damit sehr unwohl. Allerdings dürfte sie zweifellos genau das beabsichtigt haben.
    »Ich weiß, Mutter«, sagte ich. »Ich weiß, dass es riskant ist. Ich weiß, dass sehr viele Dinge schiefgehen können. Und ich weiß, dass es nicht einfach wird.« Dann wartete ich.
    »Aber?«, gab Jane mir das Stichwort, von dem sie wusste, dass ich darauf wartete.
    »Aber wenn du und Vater die Kolonie leiten, weiß ich, dass es sich lohnen wird, Risiken in Kauf zu nehmen. Weil ich euch vertraue. Ihr würdet den Job nicht annehmen, wenn ihr euch nicht sicher wärt, dass ihr damit klarkommt. Und ich weiß, dass ihr mich keinen unnötigen Risiken aussetzen würdet. Wenn ihr entscheidet, dass ihr es machen wollt, bin ich dabei. Ich würde auf jeden Fall mitkommen wollen.«
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass meine Hand zu meinem Brustkorb gewandert war und vorsichtig den kleinen Anhänger berührte, den ich dort trug, einen Jadeelefanten, den Jane mir geschenkt hatte. Verlegen ließ ich ihn wieder los.
    »Und auf jeden Fall wird die Gründung einer neuen Kolonie bestimmt nicht langweilig«, schloss ich meine Ausführung.
    Mutter lächelte, zog den Stöpsel aus der Spüle und trocknete sich die Hände ab. Dann trat sie zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Dazu war ich klein und sie groß genug, und für sie war es etwas völlig Natürliches. »Ich werde deinen Vater noch ein paar Stunden lang darüber nachgrübeln lassen«, sagte sie. »Und dann werde ich ihm erklären, wie wir dazu stehen.«
    »Danke, Mutter«, sagte ich.
    »Und noch einmal Entschuldigung wegen des Abendessens. Dein Vater vergräbt sich manchmal in seinem Kopf,
und dann vergrabe ich mich in meinem, um herauszufinden, wonach er graben könnte.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Wenn das passiert, solltest du ihm einen Klaps geben und ihm sagen, dass er mit dem Graben aufhören soll.«
    »Für die Zukunft werde ich mir das merken.« Jane gab mir einen weiteren Kuss und trat zurück. »Jetzt mach deine Hausaufgaben. Noch haben wir diesen Planeten nicht verlassen.« Dann ging sie aus der Küche.

4
    Das mit dem Jadeelefanten muss ich Ihnen erklären.
    Meine Mutter - meine biologische Mutter - hieß Cheryl Boutin. Sie starb, als ich fünf war. Sie stürzte bei einer Wanderung ab. Meine Erinnerungen an sie sind entsprechend undeutlich, verschwommene Bilder im Kopf einer Fünfjährigen, ergänzt um ein paar kostbare Fotos und Videos. Sie waren nicht viel klarer, als ich jünger war. Fünf ist ein schlechtes Alter, um eine Mutter zu verlieren. Man wird sich nie richtig daran erinnern, wie sie wirklich gewesen war.
    Eine Sache, die ich von meiner Mutter bekommen habe, war der Plüschelefant Babar, den sie mir zu meinem vierten Geburtstag schenkte. An diesem Tag war ich krank und musste im Bett bleiben. Darüber war ich gar nicht glücklich, und das machte ich jedem klar, weil ich mit vier Jahren eben so war. Dann überraschte meine Mutter mich mit Babar, und wir kuschelten uns aneinander, und sie las mir Babars Abenteuer vor, bis ich auf ihr liegend einschlief. Das ist meine intensivste Erinnerung an sie, selbst jetzt noch, gar nicht so sehr, wie sie aussah, sondern der tiefe, warme Klang ihrer Stimme und ihr weicher Bauch, auf dem ich lag,

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