Zwischen den Sternen
geworden, wenn die Jungs ihre Stammeszugehörigkeit gegen den sportlichen Teamgeist ausgetauscht hätten, weil dann nur eine Kollektivdummheit von einer anderen abgelöst worden wäre. Aber die Jugendlichen fühlten sich weiterhin mit ihren bisherigen Freunden verbunden, von denen statistisch wenigstens einer in einem gegnerischen Völkerballteam mitspielte. So blieben alle freundlich zueinander oder hielten zumindest die aggressiveren Dummköpfe im Zaum, bis alle den Prügelzwang überwunden hatten.
Zumindest wurde es mir so von Vater erklärt, der immer noch höchst zufrieden mit sich war. »Also erkennst du, wie wir ein subtiles Netz zwischenmenschlicher Beziehungen weben«, sagte er zu mir, während wir uns ein Völkerballspiel ansahen.
»O Gott«, sagte Savitri, die neben uns saß. »Die Selbstzufriedenheit, die hier verströmt wird, raubt mir die Luft.«
»Sie sind doch nur neidisch, dass Sie nicht auf diese Idee gekommen sind«, sagte Vater zu Savitri.
»Ich bin auf die Idee gekommen«, sagte Savitri. »Zumindest teilweise. Jane und ich haben bei der Ausarbeitung des Plans mitgeholfen, wie Sie sich bestimmt erinnern. Sie sind nur derjenige, der die ganzen Lorbeeren einheimst.«
»Schändliche Lügen«, sagte Vater.
»Vorsicht!«, sagte Savitri, und wir alle duckten uns, als ein Ball vom Spielfeld in die Menge flog.
Wer auch immer auf die Idee gekommen war, der Völkerballplan hatte jedenfalls weitere positive Nebenwirkungen. Nach dem zweiten Tag des Turniers hatten sich die ersten Mannschaften ihre eigenen Hymnen erwählt, und sofort kramten die anderen in ihren Musiksammlungen, um nach Melodien zu suchen, die ihren Kampfgeist anstacheln sollten. Und an diesem Punkt stellten wir fest, dass sich weite kulturelle Abgründe auftaten. Musikstücke, die auf einer Welt sehr populär waren, hatte man auf anderen noch nie gehört. Die Jungen von Khartoum hörten Chango-soca, und die von Rus standen auf Groundthump und so weiter. Ja, alle hatten richtig gute Rhythmen, und man konnte danach tanzen, aber wenn man jemanden zur Weißglut reizen wollte, musste man ihm nur zu verstehen geben, dass die eigene Lieblingsmusik viel besser als die des anderen war. Überall zückten die Leute ihre PDAs und spielten der Reihe nach ihre Songs vor, um ihre Behauptung zu untermauern.
Und damit begann der Große Musikkrieg in der Magellan . Wir alle vernetzten unsere PDAs miteinander und stellten unsere persönlichen Hitparaden zusammen, um zu demonstrieren, dass unsere Musik unbestreitbar die beste Musik aller
Zeiten war. In kürzester Zeit hatte ich nicht nur Chango-Soca und Groundthump gehört, sondern auch Kill-Drill, Drone, Haploid, Happy Dance (eine ironisch gemeinte Bezeichnung, wie sich herausstellte), Smear, Nuevopop, Tone, Classic Tone, Erie-Stomp, Doowa-Capella, Shaker und dazu richtig verrücktes Zeug, das angeblich Walzer war, aber seltsamerweise ohne Dreivierteltakt auskam und eigentlich überhaupt keine erkennbare zeitliche Unterteilung hatte, die mir aufgefallen wäre. Ich hörte mir alles völlig vorurteilsfrei an und teilte dann allen anderen mit, dass ich sie bemitleidete, weil sie nie den Huckleberry-Sound vernommen hatten, worauf ich ihnen meine Topliste schickte.
»Ihr macht also Musik, indem ihr Katzen erwürgt«, sagte Magdy, während er sich zusammen mit Gretchen und Enzo »Delhi Morning« anhörte, eins meiner Lieblingslieder.
»Das ist eine Sitar , du Blödmann«, sagte ich.
»›Sitar‹ ist auf Huckleberry also das Wort für ›erwürgte Katze‹«, sagte Magdy.
Ich wandte mich an Enzo. »Kannst du mir vielleicht helfen?«
»Ich muss mich leider der Katzenwürgertheorie anschlie ßen«, sagte Enzo.
Ich schlug ihm auf den Arm. »Ich dachte, du wärst mein Freund!«
»Das war ich bis jetzt«, sagte Enzo. »Aber jetzt ist mir klar geworden, was ihr mit euren Haustieren anstellt.«
»Hört mal!«, rief Magdy. Die Sitar trat gerade aus dem Ensemble hervor und spielte ein herzzerreißendes Solo. »Ungefähr hier muss die Katze gestorben sein. Gib es zu, Zoë.«
»Gretchen?« Ich blickte zu meiner besten und letzten
Freundin hinüber, die mich auf jeden Fall gegen diese Banausen verteidigen würde.
Gretchen erwiderte meinen Blick. »Die arme Katze«, sagte sie und lachte. Dann griff sich Magdy den PDA und rief ein Shaker-Stück auf, das aber keine Musik, sondern nur Krach war.
Um eines klarzustellen: »Delhi Morning« klingt nicht, als würde man eine Katze erwürgen. Wirklich nicht. Die
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