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Zwischen den Sternen

Titel: Zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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oder nicht, aber selbst stämmige Männer in mittlerem Alter hören gelegentlich Musik.«
    »Das weiß ich«, sagte Gretchen. »Auch mein Vater liebt seine Musik.«
    »Vielen Dank für Ihr Verständnis«, sagte Bennett. »Dann gehe ich jetzt. In ein paar Stunden bin ich wieder da. Bitte
richtet hier keine Verwüstungen an. Und wenn jemand kommt und fragt, ob er sich einen PDA ausborgen kann, sagt ihr ihm, dass die Antwort ›Nein‹ lautet, und zwar ohne Ausnahme.« Damit verließ er das Informationszentrum.
    »Ich hoffe, das war ironisch gemeint«, sagte ich.
    »Ist doch egal«, sagte Gretchen und wollte nach dem PDA greifen. »Gib ihn mir.«
    »He!«, rief ich und entzog ihn ihrem Griff. »Eins nach dem anderen.« Ich startete das Druckerprogramm, lud die Dateiliste und rief erst dann »Delhi Morning« auf. Die Eröffnungsklänge flossen aus den Lautsprechern, und ich sog sie auf. Fast wären mir die Tränen gekommen.
    »Es ist erstaunlich, wie schlecht du dich an dieses Lied erinnerst«, sagte Gretchen, als wir das Stück etwa zur Hälfte gehört hatten.
    »Psst!«, machte ich. »Jetzt kommt die Passage.«
    Sie sah meinen Gesichtsausdruck und sagte nichts mehr, bis das Lied zu Ende war.

    Zwei Stunden waren einfach nicht genug Zeit, wenn man seit Monaten keinen PDA mehr benutzt hatte. Mehr werde ich dazu nicht sagen. Aber es war genug Zeit, um Gretchen und mir das Gefühl zu geben, ausgiebig ein heißes Bad genossen zu haben, als wir das Informationszentrum verließen. Wobei mir einfiel, dass wir auch schon seit Monaten kein tatsächliches heißes Bad mehr genossen hatten.
    »Das sollten wir für uns behalten«, sagte Gretchen.
    »Ja«, stimmte ich ihr zu. »Schließlich wollen wir Mr. Bennett keinen Ärger machen.«

    »Nein. Es gefällt mir, etwas getan zu haben, was sonst niemand tun darf.«
    »Ich kenne nicht viele Leute, die offen zugeben, dass sie hundsgemein sind. Du bist die Ausnahme.«
    Gretchen nickte. »Danke für das Kompliment. Aber jetzt muss ich nach Hause. Ich habe meinem Vater versprochen, im Gemüsegarten Unkraut zu rupfen, bevor es zu dunkel wird.«
    »Dann viel Spaß im Dreck.«
    »Danke. Wenn du ein netter Mensch wärst, könntest du auf die Idee kommen, mir deine Hilfe anzubieten.«
    »Auch ich kultiviere meine hässlichen Charaktereigenschaften.«
    »Dann kann ich dir nur viel Erfolg damit wünschen«, sagte Gretchen.
    »Was hältst du von einer Probe nach dem Abendessen, nachdem wir jetzt wissen, wie das Stück gesungen werden muss?«
    »Klingt gut«, sagte Gretchen. »Zumindest hoffe ich, dass es gut klingen wird.« Sie winkte und machte sich auf den Weg nach Hause.
    Ich blickte mich um und entschied, dass heute ein guter Tag für einen Spaziergang war.
    Und es war eine gute Entscheidung. Die Sonne schien, der Tag war hell, was nach mehreren Stunden im abgeschirmten Informationszentrum sehr angenehm war, und auf Roanoke hatte der Frühling begonnen. Das war ganz nett, auch wenn es bedeutete, dass die einheimischen Blumen wie verwesendes Fleisch rochen, das man in Latrinensoße getunkt hatte (diese Umschreibung stammte von Magdy, dem es hin und wieder gelang, mehrere sinnvolle Wörter aneinanderzureihen). Aber
nach einigen Monaten bemerkte man den allgegenwärtigen Gestank gar nicht mehr, oder man hatte wenigstens hingenommen, dass man nichts dagegen tun konnte. Wenn der gesamte Planet stank, musste man irgendwie damit klarkommen.
    Doch es war hauptsächlich deswegen ein guter Tag für einen Spaziergang, weil ich sah, wie sehr sich unsere Welt innerhalb weniger Monate verändert hatte. John und Jane hatten die Ausgangssperre für Croatoan schließlich aufgehoben, nicht allzu lange nach Enzos, Gretchens, Magdys und meinem Mitternachtsausflug, und die Kolonisten breiteten sich immer mehr in der Umgebung aus, wo sie Häuser und Farmen errichteten und von den Mennoniten lernten, die die Verantwortung für unsere Landwirtschaft übernommen hatten. Auf den Feldern wuchsen die genetisch veränderten Nutzpflanzen heran, und schon bald würden wir die erste Ernte einfahren können. Vielleicht schafften wir es tatsächlich, hier zu überleben. Ich ging an den neuen Häusern und Feldern vorbei und winkte den Leuten zu, denen ich begegnete.
    Schließlich hatte ich die letzten Ausläufer der Siedlung hinter mir gelassen und stieg einen flachen Hügel hinauf. Auf der anderen Seite gab es nur noch Gras und Gestrüpp und dahinter Wald. Auf der Anhöhe sollte eine weitere Farm angelegt werden, und

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