Zwischen den Sternen
war, dass es schon fast Morgen war. Vater wollte es sofort tun. Er gab mir einen Kuss und ging mit den Obin hinaus. Jane blieb noch einen kurzen Moment bei mir.
»Kommst du zurecht?«, fragte sie mich.
»Es war und ist ein ziemlich anstrengender Tag, Mutter«, sagte ich. »Ich wünsche mir, er wäre endlich vorbei.«
»Es tut mir leid, dass du mit anhören musstest, was Hickory gesagt hat, aber es gab keine Möglichkeit, die Sache auf angenehmere Weise zu erledigen.«
Ich schniefte und brachte ein leichtes Grinsen zustande. » Du scheinst es ziemlich gut verkraftet zu haben. Wenn mir jemand sagen würde, dass er beabsichtigt, mich zu töten, wäre ich wohl nicht so ruhig geblieben.«
»Sagen wir einfach, dass es mich nicht völlig überrascht hat, so etwas von Hickory zu hören«, erwiderte Jane, worauf ich erstaunt zu ihr aufblickte. »Vergiss nicht, dass du eine Vertragsklausel bist. Und für die Obin bist du die wichtigste Quelle der Erfahrung, wie es sich anfühlt zu leben.«
»Sie haben doch schon immer gelebt.«
»Nein«, sagte Jane. »Sie haben existiert . Selbst mit ihren
Bewusstseinsimplantaten wissen sie nicht so recht, was sie mit sich anfangen sollen, Zoë. Das alles ist für sie noch völlig neu. Ihr Volk hat damit keine Erfahrung. Sie beobachten dich nicht nur, um sich damit zu unterhalten. Sie tun es, weil du ihnen dadurch beibringst, wie man wirklich lebt.«
»So habe ich das noch nie gesehen.«
»Ich weiß«, sagte Jane. »Du musstest es auch nie. Für dich ist das Leben etwas völlig Natürliches. Natürlicher als für viele andere von uns.«
»Seit über einem Jahr hat kein Obin mehr etwas von mir erfahren«, sagte ich. »Außer Hickory und Dickory. Wenn ich ihnen beigebracht habe zu leben, frage ich mich, was sie während des vergangenen Jahres gemacht haben.«
»Sie haben dich vermisst.« Mutter küsste mich erneut auf die Stirn. »Und jetzt weißt du, warum sie alles tun würden, um dich zurückzubekommen. Und um dein Leben zu schützen.«
Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte erwidern können. Mutter nahm mich noch einmal in die Arme und ging dann zur Tür, um Vater und den Obin zu folgen. »Ich weiß nicht, wie lange wir brauchen werden. Geh lieber wieder ins Bett und versuch weiterzuschlafen.«
»Ich bin viel zu aufgewühlt, um schlafen zu können.«
»Wenn du noch etwas schläfst, bist du vielleicht nicht mehr so aufgewühlt, wenn du aufwachst.«
»Glaub mir, Mutter«, sagte ich. »Es muss schon etwas ziemlich Großes passieren, damit ich wegen dieser Sache nicht mehr so aufgewühlt bin.«
19
Und tatsächlich. Etwas ziemlich Großes war im Anmarsch.
Die Koloniale Union ließ sich wieder auf der Bildfläche blicken.
Das Shuttle landete, und ein grünes Männchen sprang heraus. Ich dachte nur, dass mir diese Szene sehr bekannt vorkam. Es war sogar dasselbe grüne Männchen wie beim letzten Mal: General Rybicki.
Doch es gab einige Unterschiede. Bei unserer ersten Begegnung war General Rybicki in unserem Garten gelandet, und nur ich hatte ihm gegenübergestanden. Diesmal ging das Shuttle auf der Grasfläche vor dem Tor von Croatoan nieder, und eine große Menge von Kolonisten hatte sich versammelt, um seine Landung zu beobachten. Er war unser erster Besucher, seit wir nach Roanoke gekommen waren, und sein Erscheinen hatte vielleicht zu bedeuten, dass die Zeit unseres Exils nun vorüber war.
General Rybicki stand vor dem Shuttle und musterte die Leute, die vor ihm standen. Er winkte ihnen zu.
Sie antworteten mit lautem Jubel. Der Lärm hielt mehrere Minuten an. Es war, als hätten diese Menschen noch nie jemanden winken gesehen.
Schließlich sprach der General. »Kolonisten von Roanoke«, sagte er. »Ich bringe Ihnen gute Neuigkeiten. Ihre Tage der
Isolation sind vorbei.« Darauf folgte ein neuer Jubelausbruch. Als sich die Leute wieder beruhigt hatten, fuhr der General fort: »In diesem Moment setzt mein Raumschiff einen Kommunikationssatelliten für Sie aus. Schon bald werden Sie Ihren Freunden und Verwandten auf Ihren Heimatwelten Nachrichten schicken können. Und von nun an werden Sie wieder die Computer und Kommunikationselektronik benutzen können, die man Ihnen abgenommen hat.« Das entlockte den Jugendlichen in der Menge besonders lauten Jubel.
»Uns ist klar, dass wir Ihnen sehr viel zugemutet haben«, fuhr Rybicki fort. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass Ihr Opfer nicht vergebens war. Wir glauben, dass der Feind, der Sie bedroht hat, sehr bald
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