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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt Altmann , Berthold F. Bauer
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dann meist sehr schnell von ganz allein, weil diese Art von Isolation im Internat, weit weg von Zuhause, schlicht nicht auszuhalten ist.«
    In meiner Phantasie begann es bereits wieder heftig zu arbeiten … Was würde nun wohl noch alles kommen? Wäre ich doch bloß diese zwei Wochen lang besser zum Segeln gegangen.
    Sebastian hatte mir noch gesagt, die jetzigen Zwölfer würden sich zu Schuljahresbeginn immer eine Liste von den Neuen aus der Elften machen und jeder der neuen Tutoren könne dann erstmal eintragen, wen er denn nun gerne als seinen neuen Untergebenen hätte …
    Allgemeiner Favorit war heuer Benjamin, ein Sechzehnjähriger aus Gruppe Eins , der mir bei meiner Vertretung dort an einem Nachmittag in dieser Woche auch schon aufgefallen war. Dunkelblond, kräftig aber nicht dick und mit stahlblauen tollen Augen. Ich verstand sofort, warum fast alle ausgerechnet sein Tutor werden wollten: Ich fand den auch irgendwie gleich sympathisch und wirklich echt nett mit seinem süßen natürlichen Lächeln. Wäre er in meiner Gruppe gewesen, es wäre mir wohl jedes Mal sehr schwer gefallen, etwas pädagogisch Notwendiges im Sinne der ganzen Gruppe gegen die Partikularinteressen dieses zuckerbestreuten Grinsens durchzusetzen.
    Dann gab es noch einen anderen Favoriten. Andi, ein Siebzehnjähriger aus Gruppe Nummer Zwei . Braue Haare, braune Augen, modische Klamotten, keinerlei Pickel und so … Auch nicht am Rücken oder auf seiner Brust. Meistens lief er in einem schicken roten Kapuzenpullover mit dem schwarzen Aufdruck »REBEL« auf der Brust herum, in dem er sich wohl auch schlafen zu legen schien. Oder hatte er womöglich gar mehrere äußerlich identische Exemplare davon, die er immer wechselte? Irgendwie muffig roch er darin jedenfalls nie. Am Abend hatte Andi jedenfalls die seltsame Angewohnheit jedes Mal unmittelbar vor dem Schlafengehen eines dieser kleinen Jägermeisterfläschchen zu leeren. Und zwar in einem Zug. Man ließ ihn gewähren. Alkohol in Maßen war an den Abenden und an den Wochenenden hier an der Oberstufe schließlich erlaubt.
    Er war komplett neu hier an der Schule und kam nicht aus dem Kloster der Mittelstufe. Deshalb war er mir bislang wohl auch noch nicht besonders aufgefallen. Aber natürlich galten die Regeln der Klosterwoche auch für ihn. Und zwar ganz ohne jede Einschränkung. Das war schon klar. Er hatte die Wahl, sich nun entweder einzufügen oder gleich wieder dorthin zu verschwinden, wo er hergekommen war.
     
    Am Samstag im Partykeller gab mir Sebastian irgendwann einen kleinen roten Zettel, den ich dann heimlich mit rotem Kopf in meinem Appartement aufmachte: Heute Nacht, 1 Uhr wieder hier. Leise sein, kein Licht. Fotoapparat unerwünscht, aber Tempo-Tücher dürfen Sie natürlich mitbringen, sehr geehrter Herr Bauer … denn Sie sind eingeladen zur diesjährigen Elfer Lizitation ! Gruß Sebastian.
    Da war es wieder, dieses Wort, mit dem ich nicht wirklich etwas anfangen konnte. Ich griff ins Regal nach meinem privaten Wörterbuch und machte mich wissend.
    Oh Ha! Allein dieser Zettel in den falschen Händen … könnte Sebastian hier das Abi kosten! Dazu musste man nicht mal zwischen den Zeilen lesen können. Aber insgeheim fand ich es natürlich sehr cool, dass die Jugendlichen mich hier offenbar so schätzen. Doch nach der Sache mit Herrn Buch bei meinen letzten Praktikum hier, hatte sich offenbar schnell herum gesprochen, dass ich wohl ganz okay bin. Denn noch nie hatte ein Erzieher einen Schüler in seiner Wohnung heimlich Einen rauchen lassen. Nicki hatte anscheinend bei jedem, der es hören wollte, verlauten lassen, er hätte damals an diesem ganz bestimmten Nachmittag nach der üblen Strafaktion oben bei Herrn Buch bei mir im Zimmer seine ja so ganz arg schlimmen Schmerzen kiffend lindern dürfen! Also auf ganz natürliche Weise. Das stimmte zwar nur insoweit, wenn man dabei das Gras durch Whiskey ersetzte. Aber letztlich egal aber auch. Dass ich bei Florian damals aber so komplett versagt hatte, als Praktikant und vor allem als Mensch, diese Tatsache aber hatte wohl Herrn Buchs Büro bislang noch nicht verlassen. Mir klangen Florians Schmerzensschreie und sein gedemütigtes Geheule jedenfalls noch heute in den Ohren, wenn ich nachts manchmal erst etwas verspätet einschlafen konnte. Ihm war damals ein großes Unrecht zugefügt worden. Auch von mir. Für seine gefühlsmäßige Ausrichtung konnte er doch nun wirklich nichts. Rein gar nichts. Und auch ich hatte bedenkenlos

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