Zwischen den Zeilen
dem Schreiben haben wir lange geredet. Frau Abel hat mich gefragt, ob ich einen Job habe und eine Ausbildung. Ich hab ihr von Daniel erzählt und dem Blattgold , dass ich meine Arbeit im Laden gern mag und davon, dass ich vielleicht auf die Berufsschule gehen will, um Florist zu werden, wenn ich es schaffe. Und von Josh. Davon, dass ich ihn liebe und dass ich so nicht weitermachen will. Irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass sie ein Problem damit hat, wenn ich ihr sage, dass ich schwul bin. Und auf meine Frage, ob es überhaupt einen Kurs für mich gibt, hat sie mir gesagt, dass ich sogar in den zweiten Kurs komme, weil ich mich sprachlich gut ausdrücken kann und auch viele der Buchstaben von der Schreibübung richtig gemacht hab.
»Uuuuund?«, fragt Daniel neugierig.
»Donnerstag geht es los.«
»Echt jetzt?« Er kann es gar nicht glauben.
»Ja.« Ich nicke.
Daniel umarmt mich und klopft mir dabei auf den Rücken. »Das ist großartig, Ben. Ich bin so stolz auf dich!«
Ich schlucke und irgendwie weiß ich nicht so recht, was ich sagen soll. Also erwidere ich die Umarmung und murmle ein Danke . Auch wenn es ja eigentlich noch gar nichts gibt, worauf man stolz sein kann.
»Sekunde!«, sagt Daniel, als er mich loslässt. »Ich hab was für dich.«
»Du hast was für mich?«, frage ich irritiert.
»Klar.« Er grinst und verschwindet dann durch die Tür. Ich kann hören, wie er ins Büro geht.
»Jetzt mach kein Drama draus«, rufe ich ihm nach. »Hast du das Wasser bei den Schnittblumen schon gewechselt?«
»Nur bei den Rosen…«, höre ich ihn antworten. »Aber wolltest du heute nicht frei haben und dich mit deinem Süßen treffen?«
»Erst um eins«, sage ich und werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist noch nicht einmal zwölf. Ich kann auch noch eben das Wasser wechseln, bevor ich nach oben gehe, um zu duschen und mich umzuziehen.
»Tada!«, sagt Daniel, als er wieder zurück in den Laden kommt. In der Hand hält er eine Schultüte. Sie ist schwarz und oben hat sie pinkfarbenes Krepppapier.
»Alles Gute zum Schulanfang. Wir sind stolz auf dich. Also ich… und Gerd wäre es ganz sicher auch.« Ich kann sehen, dass er an sich halten muss. Da ist ein verräterisches Glitzern in seinen Augen.
»Wo hast du die her?«, frage ich fassungslos mit Blick auf die Tüte.
»Hab ich neulich bei Schacht & Westerich gesehen und na ja… die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.« Jetzt lächelt er wieder. Tapfer wischt er sich ein Tränchen weg.
»Danke«, sage ich und dieses Mal bin ich es, der ihn an sich zieht. Leicht küsse ich ihn auf die Wange und umarme ihn dann, während er mir freundschaftlich durchs Haar wuschelt. »Danke für alles!« Ich hoffe so sehr, ich enttäusche ihn nicht.
»Willst du nicht reinsehen?«, fragt er, als wir die Umarmung lösen.
»Da ist was drin?«
»Natürlich ist da was drin, was denkst du denn?« Daniel verdreht die Augen und klapst mir für meine dämliche Frage leicht auf den Hinterkopf.
»Okay«, sage ich, klemme sie unter den Arm und löse das Band.
»Nur eine Kleinigkeit. Auf den Süßkram hab ich verzichtet.« Daniel tritt einen Schritt zurück und lehnt sich gegen den Tresen. Erwartungsvoll beobachtet er, wie ich ein Buch aus der Tüte ziehe. Es ist groß. Ein Bilderbuch vermutlich. Auf dem Cover ist ein blondes, gezeichnetes Männchen mit einer roten Fliege und grünen Klamotten, das auf einer komischen, graublauen Kugel steht.
»Oh«, sage ich ziemlich unkonkret und versuche, den Titel zu entziffern. Aber es gelingt mir nicht sonderlich gut und ich kapituliere nach dem Der .
»Der kleine Prinz«, liest Daniel unaufgefordert. »Weil ich hoffe, dass du deinen gefunden hast.« Er legt seinen Arm um meine Schulter und küsst mich auf die Wange.
»Danke«, sage ich leise. »Aber er ist gar nicht so klein.« Er ist ziemlich groß. Und ein Mädchen...
Der kleine Prinz. Ich sehe die Worte an. Die beiden Punkte auf den I s sind Sterne.
»Ist das ein Kinderbuch?«, frage ich vorsichtig, während ich beginne zu blättern. Irgendwie kann ich diese Sache nicht so recht einordnen.
»Nein«, sagt Daniel und schüttelt mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf. »Ist es nicht. Aber ich dachte, es wäre ein guter Anfang. Es steht viel Wahres drin. Und es handelt von Rosen.«
»Ein Gartenbuch also?«, frage ich und grinse.
»Ben!« Tadelnd knufft er mich in die Seite.
»Danke«, sage ich noch mal ehrlich.
»Willst du nicht nachsehen, was noch drin ist?«
»Doch«,
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