Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Cole
Vom Netzwerk:
Hamburg gezogen. Daniel ist der Cousin ihres Stiefvaters. Er hat mir einen Job gegeben. Als die Wohnung über dem Laden frei geworden ist, bin ich eingezogen.«
    »Verstehe.« Ich nicke.
    » Aber ich glaube, meine Eltern hätten es auch nicht so toll gefunden, wenn ich es ihnen eröffnet hätte.« Er lächelt nun wieder weniger wehmütig, entzieht mir seine Hand und leert seine Kaffeetasse.
    »Das tut mir leid. Also, dass sie tot sind und dass ich gefragt hab«, sage ich schuldbewusst. Irgendwie komme ich mir richtig schlecht vor. Am liebsten würde ich ihn in den Arm nehmen, um ihn zu trösten.
    »Macht nichts«, wiegelt er ab. »Konntest du ja nicht wissen.«
    »Noch Kaffee?«, versuche ich, das Thema zu wechseln.
    »Gern.« Er nickt. Ich stehe vom Stuhl auf, greife nach seiner Tasse und tappe die zwei Schritte zur Maschine.
    »Reicht zwei?«, will er wissen, als ich mit den Pads hantiere.
    »Zwei?«, frage ich nach. Einen Moment lang beziehe ich es auf den Kaffee.
    »Na ja, vorher komm ich an Muttertag wohl nicht weg. Ansonsten muss ich mit Daniel reden, ob ich vielleicht ein bisschen früher gehen kann.«
    »Nein, zwei ist vollkommen in Ordnung«, sage ich. Denn ehrlich gesagt hätte ich nie im Leben gedacht, dass er tatsächlich mitkommt.
     
     

Kleine Prinzen
     
    Ben
     
     
    Ich hab keine Ahnung, ob mir ein paar Stufen jemals so schwer gefallen sind, wie diese hier aus grauem Beton. Vielleicht in der Schule damals. Oder die im Krankenhaus. Ich erinnere mich wohl für alle Ewigkeit an das gläserne Treppenhaus, in dem es so schwül war, dass ich glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.
    Damals war ich fünf. Und ein Kind. Jetzt bin ich erwachsen.
    Das Gebäude hier gleicht keiner Schule. Vielmehr ist es ein modernes Bürogebäude. Jedenfalls auf den ersten Blick. Auch wenn es sich offiziell Volkshochschule nennt. Es ist hell, modern und freundlich. Viel Glas, Chrom, nackter Beton, Stäbchenparkett und hohe Decken.
    »Mein Büro ist im ersten Stock. Nehmen Sie am besten den Haupteingang und dann die Treppe in die erste Etage. Dann durch die erste der beiden Glastüren und gleich danach die Tür links. Mein Name steht auf dem Schild. Abel. Sind nur vier Buchstaben. Der erste ist ein A. Sie können mich gar nicht verfehlen.«
    Frau Abel klang freundlich. Ein bisschen zu freundlich vielleicht. Aber sie hat mich, entgegen meiner Erwartungen, nicht sofort, nachdem ich ihr gesagt habe, was ich von ihr will, wie einen Vollidioten behandelt.
    Und jetzt suche ich nach dem A am Plexiglasschild neben der offenen Tür. Nur, um sicherzugehen, dass ich hier richtig bin.
    »Herr Lehmann?« Am Schreibtisch schräg gegenüber der Tür sitzt eine Frau. Ihre Stimme kommt mir bekannt vor. Ich schätze, sie ist ungefähr in meinem Alter. Vielleicht ein bisschen jünger. Der Gedanke ist mir unangenehm. Als wäre es so nicht schon peinlich genug. Irgendwie hatte ich die Hoffnung, sie sei wenigstens älter als ich.
    »Kommen Sie rein.« Sie sieht kurz von ihrem Schreibtisch auf und lächelt einladend.
    Zögernd trete ich über die Schwelle und sehe mich um. Das Büro ist groß und ein wenig chaotisch. In einem offenen Regal türmen sich Aktenordner. Auf der Fensterbank steht ein Topf mit ein paar Zimmercallas, die sicherlich noch nicht lange dort stehen und die es auch nicht mehr lange tun werden. Callas vertragen das direkte Sonnenlicht nicht. Ich muss mich beherrschen, sie nicht vom Sims zu nehmen und wenigstens die ausgetrockneten Blütenstiele auszuzupfen. Aber ich fürchte, das wäre nicht wirklich angebracht.
    »Hallo«, sage ich, um die trotz aller Höflichkeit, angespannte Situation aufzulösen. Meine Stimme klingt leiser als beabsichtigt. Ich fühle mich unwohl, da ist ein Kloß in meinem Hals und in meiner Brust ist es eng. Dieses altbekannte Gefühl, das mich mein Leben lang begleitet. Zuerst war es Angst, jetzt ist es meist Scham, manchmal ist es irgendwas dazwischen.
    Ich glaube, ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wie es war, als es mich noch nicht immerzu begleitet hat. Und manchmal frage ich mich, ob ich es am Ende vielleicht vermisse, wenn es einfach nicht mehr da ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es vielleicht irgendwann tatsächlich nicht mehr wiederkommt.
    Was sie wohl von mir denkt? Bestimmt, dass ich einer von den Idioten bin. Ein hübscher zwar, aber immer noch ein Idiot. Einer, mit dem sie trotzdem nicht ausgehen würde. Ich lächle und versuche, nicht weiter drüber nachzudenken.
    Daniel hat mir

Weitere Kostenlose Bücher