Zwischen den Zeilen
jetzt eine Szene zu machen. Aber ich bin krank und hier ist niemand, der sich um mich kümmert. Wie wichtig kann eine Verabredung zum Laufen mit einem Freund in Anbetracht dessen schon sein?
»Mhm.« Er nickt, als würde er meinen Unterton gar nicht bemerken.
»Du erzählst mir grade, dass du mit einem Freund laufen gehst, während ich hier liege und krank bin?«, fasse ich zusammen und versuche, ruhig zu bleiben, was mir allerdings nur mäßig gelingt. Suchend schweift mein Blick durch den Raum, in der Absicht, irgendwas in meiner Reichweite zu finden, das ich, wenn ich gleich einen gepflegten Eifersuchtsanfall bekomme, nach ihm werfen kann.
Die Schüssel mit den Obststücken bietet sich an. Oder dieses bescheuerte Rona-Cole-Buch mit dem paranoiden Koch, das mir neulich der süße Verkäufer in der Buchhandlung für meine imaginäre beste Freundin empfohlen hat. Ich hab's mir als Geschenk einpacken lassen. Seitdem liegt es angefangen auf meinem Nachttisch. Ich bin nicht sicher, ob ich es zu Ende lese, für meinen Geschmack macht sie ein bisschen zu oft drei Punkte zwischen den Sätzen. Degenhardt würde sagen, dass sie aus der Hölle kommen... Vielleicht sollte ich ihr diesbezüglich einen Leserbrief schreiben... Fiese Rezensionen bei Amazon sind irgendwie nicht mein Stil...
»Na ja, ich… das haben wir schon vor Wochen ausgemacht. Wir gehen immer laufen, donnerstags und…«
»Vor Wochen?« Das wird ja immer besser. Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, dass er je was von jemandem, mit dem er läuft, erwähnt hat.
»Ich dachte, du müsstest heute Abend wie immer in der Videothek arbeiten, und…« Er wirkt verlegen.
»Wie immer?« Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
»Na ja, jedenfalls meistens«, rudert er zurück.
»Soll das heißen, du triffst dich donnerstags immer mit irgendeinem Freund zum Laufen?«
»Ja.« Er nickt. Und ich kann ihm ansehen, dass er sich bei diesem Gespräch genauso unwohl fühlt wie ich.
»Oh... nett, dass du's nach fast drei Monaten ganz nebenbei mal erwähnst«, kann ich mir nicht verkneifen.
»Sorry, ich dachte nicht, dass es dich stört.«
»Tut es auch nicht«, behaupte ich großzügig. »Jedenfalls normalerweise nicht. Aber jetzt bin ich krank«, erinnere ich ihn an meinen bemitleidenswerten Zustand. »Und als ich dich vorgestern gefragt hab, meintest du, du hättest nichts Besonderes vor, aber jetzt musst du plötzlich unbedingt zum Sport und…«
»Ich bin bald wieder zurück, okay?« Irgendwie hab ich das Gefühl, dass er es eilig hat, diese Diskussion zu beenden. Und dass er auch nicht wirklich mit mir drüber sprechen will.
»Aber du kannst doch auch an einem anderen Tag zum Sport. Was kann so wichtig sein, dass man es nicht verschieben kann?«, versuche ich noch einmal.
»Ich dachte einfach, du arbeitest, und ich will ihn nicht versetzen.« Keine Chance…
»Hat er auch einen Namen?«
»Wer?«
»Der Kerl, mit dem du ach so dringend zum Sport musst?«
»Ja, klar…« Er nickt. So langsam glaub ich echt, er will mich verarschen. Fehlt nur noch, dass er jetzt gleich Felix sagt. Ich sollte schon mal das Buch klarmachen…
»Und verrätst du ihn mir auch, oder ist er geheim?«, bohre ich nach.
»Doch, klar.« Er nickt heftig.
»Komischer Name«, bemerke ich spitz.
»Ich… Er heißt… Tom«, sagt er. Aber für meinen Geschmack kommt es deutlich zu zögerlich. Ich schlucke. Und mit einem Mal helfen auch die Halsschmerztabletten nichts mehr.
»Alles in Ordnung?«, vergewissert er sich dämlich. Aber nichts ist in Ordnung. Überhaupt nichts.
»Klar«, sage ich trotzdem und komme mir jämmerlich vor dabei. Denn natürlich will ich nicht, dass er geht. Aber ihm das zu sagen, ist irgendwie kompliziert. Ich will nicht, dass er denkt, ich würde klammern oder so. Aber vermutlich tu ich's… und ich bin echt eifersüchtig.
»Du… hast nichts mit deinem Ex, oder?« Die Worte sind schneller aus meinem Mund, als ich drüber nachdenken kann.
»Was? Nein! Wie kommst du denn darauf?«
»Nur so. Könnte ja sein, dass dein Tom eigentlich ein Felix ist.« Ich kotze den Satz beinahe aus. Und im Grunde weiß ich selbst, dass es albern ist. Aber das hilft mir momentan nicht.
»Josh, das ist doch Unsinn.« Ein wenig hilflos sieht er mich an. Seine Hände spielen nervös am Saum seines Shirts und er schafft es nicht, meinem Blick standzuhalten, der versucht, ihn zu durchbohren. Wenn ich es schaffe, müsste ich nicht mit dem Buch zielen. Denn darin bin ich ziemlich
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